Politiker fordern Umdenken

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Auch am Tag nach der Tragödie mit mehr als 100 toten Flüchtlingen ist Italien geschockt. Es herrscht Staatstrauer, Politiker fordern Konsequenzen. Vor der Insel Lampedusa werden weitere Leichen geborgen.

Nach dem tödlichen Flüchtlingsdrama vor der Insel Lampedusa haben italienische Politiker ein Umdenken in der Einwanderungspolitik verlangt. „Wir werden laut unsere Stimme in Europa erheben, um die Regeln zu ändern, die die ganze Last der illegalen Einwanderung auf die Länder des ersten Eintritts abwälzen“, sagte Innenminister und Vize-Regierungschef Angelino Alfano am Freitag dem TV-Sender Canale 5. Staatspräsident Giorgio Napolitano forderte eine Überprüfung der Gesetze.

Am Unglücksort gingen unterdessen die Rettungsarbeiten weiter. 111 Leichen waren bis zum Morgen aus dem Mittelmeer geborgen worden, Hunderte weitere Tote wurden befürchtet. „Das ist noch keine definitive Bilanz, weil Dutzende weitere Körper im Wrack des gesunkenen Bootes sind“, sagte Alfano. Die Helfer hatten ihre Arbeit trotz schlechten Wetters die gesamte Nacht über fortgesetzt. Am Morgen erreichte eine Fähre mit Särgen für die Opfer die Insel.

Nur 150 Überlebende

Nur gut 150 der etwa 500 Menschen an Bord des Schiffes konnten am Donnerstag gerettet werden. Das voll besetzte Boot hatte vor der kleinen Insel Isola dei Conigli bei Lampedusa Feuer gefangen und war gekentert. Flüchtlinge hatten an Bord eine Decke angezündet, um Fischerboote auf sich aufmerksam zu machen, nachdem das Schiff einen Defekt gehabt hatte.

Für Freitag hatte Italien einen Tag der Staatstrauer ausgerufen. Vielerorts sollte es Schweigeminuten geben; auf Lampedusa blieben die Geschäfte geschlossen. „Heute ist ein Tag des Weinens“, sagte Papst Franziskus bei seinem Besuch in Assisi.

Wie im Horrorfilm

Das gesunkene Boot liegt etwa eineinhalb Meilen vor der Insel in rund 40 Meter Tiefe. Mehrere Taucher drangen bereits zu dem Wrack vor. „Es ist wie in einem Horrorfilm, da unten ist eine Masse von eingeklemmten Körpern, einer über dem anderen im Laderaum“, sagte Taucher Rocco Canell der Nachrichtenagentur Ansa.

Staatspräsident Napolitano hatte bereits am Donnerstag eine Änderung der Gesetze gefordert. Eine schnelle Überprüfung von Normen, die eine Aufnahmepolitik verhinderten, sei nun notwendig, sagte er in einem Interview von Radio Vatikan. „Es ist auch eine Frage von Mitteln, eine Frage des Eingreifens, eine Frage von Verantwortung und eine Diskussion, die absolut nicht nur italienisch sein kann.“ Napolitano bezeichnete das Flüchtlingsdrama als „Schande und Horror“.

Viele italienische Politiker forderten am Freitag mehr Unterstützung aus der EU. „Dieses Meer bildet die Grenze zwischen Afrika und Europa und nicht zwischen Afrika und Sizilien und deshalb muss sie mit Schiffen und Flugzeugen effektiver gesichert werden, als das momentan der Fall ist. So sinkt auch das Risiko von Toten“, sagte Innenminister Alfano. „Das ist ein europäisches Drama.“