Pekings neue Schmusekatzen

Pekings neue Schmusekatzen

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China und die Osteuropäer umwerben sich gegenseitig. Peking sucht neue Absatzmärkte und Quellen für Lebensmittelimporte, die ex-kommunistischen Länder Europas brauchen wiederum Geld für ihre Infrastruktur, das sie aus Brüssel nur schleppend bekommen.

Li Keqiang sparte nicht mit Superlativen: „Rumänien wird ein Tiger Europas“, verkündete der chinesische Ministerpräsident im gigantischen Bukarester Parlamentspalast, den der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu einst als „Haus des Volkes“ bauen ließ. Er sprach vor 16 Regierungschefs aus Ost-Mitteleuropa und mehr als 1.000 Geschäftsleuten aus China und der Region, die sich dort zu ihrem mittlerweile dritten Gipfeltreffen versammelt hatten. China hält eine Kreditlinie von 10 Milliarden US-Dollar für sie bereit. Damit soll hier vor allem die marode Infrastruktur modernisiert werden. Im Gegenzug bittet China um Lebensmittelimporte.

Ermunternde Worte wie jene von Li würden die Rumänen gerne einmal aus dem Mund eines Brüsseler Kommissars hören. Allein, von der EU kommen in der Regel vor allem Mahner und Kontrolleure, immer wieder werden Gelder gesperrt – sei es wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren; sei es, weil die Rumänen mit der hochkomplizierten EU-Bürokratie nicht zurechtkommen. Das Land hat gerade einmal ein Viertel der bereitstehenden EU-Subventionen abgerufen und ist damit Schlusslicht in Europa.

Westintegration

Ist die Wirtschafts-Weltmacht China daher gerade für Länder wie Rumänien als Geldgeber verlockender als die EU? Ranghohe rumänische Regierungsbeamte lassen dies in Hintergrundgesprächen schon einmal durchblicken, winden sich aber etwas, dies zuzugeben. Schließlich strebt das Land politisch eine volle Westintegration an. Diese ist noch nicht perfekt, weil die EU Rumänien, wie auch das Nachbarland Bulgarien, bisher nicht in den grenzkontrollfreien Schengen-Raum aufgenommen hat. Bedenken einiger EU-Staaten haben dies verhindert.

Solche Probleme mit Brüssel lassen die Mittel-Osteuropäer immer begehrlicher nach China blicken. Die potenziellen Tiger verhalten sich allerdings vorerst eher wie Schmusekatzen, die sich Peking teilweise regelrecht anbiedern.

Fremdenpolizei

Der mit der EU im Dauerstreit liegende ungarische Ministerpräsident Viktor Orban etwa schickte 2011 bei einem Besuch des damaligen chinesischen Premiers Wen Jibao höflichkeitshalber der kleinen Budapester Tibeter-Gemeinde die Fremdenpolizei auf den Hals. Peking sagte Ungarn damals einen Kredit von einer Milliarde Euro zu, für Infrastruktur-Projekte.

In Bulgarien wirbt die einflussreiche nationalistische Partei Ataka offen für China: „Unsere Beziehungen zu China können sich viel intensiver gestalten“, sagte Ataka-Chef Wolen Siderow. „Die EU-Fonds sind kein Faktor, der zur intensiven Entwicklung der bulgarischen Wirtschaft führt“. Im benachbarten Serbien, dessen EU-Perspektive noch im Dunkeln liegt, ist China schon seit der Zeit des EU-Embargos wirtschaftlich präsent. Erst vor einer Woche hat Serbien aus China ein Darlehen von einer Milliarde US-Dollar zum Bau eines Wärmekraftwerks bekommen.

Arbeitsgruppe

Auch westlichere ex-kommunistische EU-Länder wie Tschechien wollen um die Gunst Chinas werben. Prager Medien werfen der Regierung aber hierbei ausbleibende Erfolge vor. Erst vor kurzem hat Tschechiens Übergangs-Ministerpräsident Jiri Rusnok eine eigene Arbeitsgruppe geschaffen, die sich um die Entwicklung der Handelsbeziehungen mit China bemühen soll. Polen hingegen hat keinen derartigen Eifer an den Tag gelegt – wohl auch, weil das Land ein Meister im Abrufen von EU-Mitteln ist.

Mit dem Gipfel in Bukarest dürfte China den Grundstein für viele bilaterale Verhandlungen mit den Osteuropäern gelegt haben. Dass für die Chinesen nicht mehr die EU der Hauptansprechpartner ist, kritisierte erst vorige Woche der Brüsseler Kommissar Karel de Gucht beim Gipfeltreffen EU-China in Peking. Chinas Führung versuche, durch Verstärkung bilateraler Kontakte die EU-Staaten gegeneinander auszuspielen, sagte er. Diese Botschaft ist auch in Bukarest angekommen. Artig betonte Rumäniens Premier Victor Ponta jetzt ganz auf EU-Linie, dass chinesische Firmen nur dann zum Zuge kommen sollen, wenn sie nach Ausschreibungen das beste Angebot machen. Sein Kollege Li wiederholte mit Nachdruck, eine starke EU mit einem gut integrierten, wirtschaftlich florierenden Osteuropa, liege auch in Chinas Interesse.