Für den französischen Präsidenten François Hollande ist eine Militärintervention in Syrien mit einem UN-Mandat nicht ausgeschlossen. Hollande sagte am Dienstagabend dem Fernsehsender France 2: „Es ist an mir und den anderen, die Russen und Chinesen zu überzeugen“, damit sie dagegen im UN-Sicherheitsrat kein Veto einlegen. Er werde am Freitag mit Russlands Präsident Wladimir Putin reden, um ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Sanktionen nochmals deutlich zu verschärfen, sagte Hollande. „Man darf Baschar al-Assad nicht weiter sein eigenes Volk massakrieren lassen.“
Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, hatte bereits zuvor erklärt, die USA lehnten eine Militärintervention zum jetzigen Zeitpunkt weiter ab. Washington halte eine weitere Militarisierung in Syrien nicht für richtig. „Wir glauben, es würde zu größerem Chaos, größerem Gemetzel führen“, sagte Carney am Dienstag in Washington. Die USA hofften, dass der Druck auf das Assad-Regime Wirkung zeigt.
Syrische Diplomaten ausgewiesen
Nach dem Blutbad in der syrischen Ortschaft Al-Hula haben Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Spanien sowie die USA, Australien und Kanada syrische Diplomaten ausgewiesen. Die Ausweisung eines Botschafters gehört im diplomatischen Umgang zu den härtesten Strafmaßnahmen, über die ein Land verfügt. Grundlage dafür ist Artikel 9 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf dem syrischen Regime vor, sich damit an den menschlichen Grundwerten versündigt zu haben. „Die Geduld hat ihre Grenzen, und ich hoffe, das gilt auch für die Geduld des Weltsicherheitsrates“, sagte er in einer Rede vor Abgeordneten seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara.
Neues Massaker
Ungeachtet neuer diplomatischer Zwangsmaßnahmen werden in Syrien weiter Menschen ermordet. Aktivisten berichteten am Mittwoch von einem Massaker in der Provinz Deir as-Saur. Sie veröffentlichten ein Video, das die Leichen von 13 Männern zeigt. Ihre Hände waren hinter dem Rücken zusammengebunden. Alle 13 Männer wurden offensichtlich aus nächster Nähe erschossen.
Der Tathergang und die Motive der Mörder blieben unklar. In einigen Berichten aus Oppositionskreisen hieß es, bei den Toten handele es sich um Deserteure in Zivil, die von Regierungstruppen erschossen worden seien. In anderen Berichten wurde behauptet, die Mordopfer seien Arbeiter der Ölgesellschaft Al-Furat. Sie seien von Regierungstruppen getötet worden, weil sie sich einem Proteststreik gegen das Massaker in Al-Hula am Freitag vergangener Woche angeschlossen hätten.
„Keine Hinweise“
Der Vorsitzende der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdurrahman, sagte: „Wir wissen nicht, wer diese Männer getötet hat, und wir haben keine Hinweise darauf, dass sie Arbeiter sind. Wir fordern eine umgehende Untersuchung.“
Die regimetreue syrische Tageszeitung „Al-Watan“ (Mittwoch) schrieb, am vergangenen Samstag seien in Deir as-Saur 39 Arbeiter und Ingenieure der Ölgesellschaft verschleppt worden. Am Montag hätten die gleichen Entführer noch einen weiteren Arbeiter in ihre Gewalt gebracht. Ihnen gehe es vermutlich um Lösegeld. Über einen Vermittler seien Verhandlungen über die Freilassung der Entführten im Gange.
Massaker von Al-Hula
Das Massaker von Al-Hula war die schlimmste Gräueltat an einem Ort seit dem Ausbruch der Proteste gegen das Assad-Regime vor fast 15 Monaten. Bei dem Angriff waren am Freitag mehr als 100 Zivilisten niedergemetzelt worden, etwa ein Drittel davon Kinder. Die meisten Opfer wurden aus nächster Nähe erschossen. Zu diesem Ergebnis kommt eine erste Untersuchung von UN-Experten. „Es sieht so aus, als ob ganze Familien in ihren Häusern erschossen wurden“, sagte in Genf Rupert Colville, Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte. „Das ist ziemlich grauenhaft. Fast die Hälfte der uns bekannten Opfer sind Kinder, das ist unverzeihlich.“
Nach dem Treffen des UN-Sondergesandten Kofi Annan mit Assad sagte ein Sprecher, der frühere UN-Generalsekretär habe darauf hingewiesen, dass der von ihm formulierte Sechs-Punkte-Plan nur funktionieren könne, wenn ernsthafte Schritte unternommen würden, die Gewalt zu beenden und Gefangene freizulassen.
Sechs-Punkte Plan
Annan betonte, sein Sechs-Punkte Plan für Frieden in Syrien sei bislang nicht umgesetzt worden. Nach einem vielversprechenden Start im April sei die Waffenruhe in sich zusammengebrochen. Die Opposition sieht den Annan-Plan, der eine von unbewaffneten UN-Beobachtern überwachte Waffenruhe beinhaltet, ohnehin als gescheitert an.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte in einem Telefonat mit Annan, dass alle syrischen Konfliktparteien auf Gewalt verzichten müssten, damit „ähnliche Vorfälle“ wie in Al-Hula in Zukunft vermieden würden. Zugleich forderte Lawrow eine unabhängige und vorurteilsfreie Untersuchung des Massakers. Am Dienstag wurden nach unterschiedlichen Angaben von Oppositionellen zwischen 72 und 33 Menschen in Syrien getötet.
„Mörder seines Volkes“
Außenminister Laurent Fabius sagte, Frankreich setze sich dafür ein, dass der Internationale Strafgerichtshof eingeschaltet wird. „Baschar al-Assad ist der Mörder seines Volkes“, sagte Fabius.
Die Europäische Union kündigte in Brüssel weiteren diplomatischen Druck an. Ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sagte jedoch: „Alles muss auf Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats beruhen.“ Die EU hat bereits 16 Sanktionsbeschlüsse gegen das Assad-Regime verhängt. Dazu gehören Einreiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten, ein Ölembargo sowie Ausfuhrverbote für zahlreiche Güter.
De Maart

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