Österreich wählt – und ist nervös

Österreich wählt – und ist nervös
(Armand Back)

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Österreich wählt heute seinen Bundespräsidenten. Gewinnt FPÖ-Kandidat-Hofer, gibt es in Europa den ersten Rechts-Außen-Staatschef seit 1945. Einige Fragen und Antworten.

Österreich wählt heute seinen Bundespräsidenten. Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer in der Alpenrepublik noch nie dagewesenen Wahlschlacht. Der Kampf um die Hofburg dauert mittlerweile ziemlich genau 50 Wochen. Gewinnt FPÖ-Kandidat-Hofer, gibt es in Europa den ersten Rechts-Außen-Staatschef seit 1945. Einige Fragen und Antworten.

Wer gegen wen?

In dieser zweiten Stichwahl (die erste wurde annulliert, siehe unten) stehen sich zwei Kandidaten gegenüber. Der Gewinner wird österreichischer Bundespräsident (und Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres). Die beiden Kandidaten sind Norbert Hofer von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der unabhängige, aber von den Grünen unterstützte Alexander van der Bellen.

Wieso schaut ganz Europa hin?

Mit FPÖ-Kandidat Hofer könnte erstmals seit 1945 ein Rechts-Außen-Kandidat den Staatschef in einem europäischen Staat stellen. Kommendes Jahr wird in der Europäischen Union u.a. in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Italien gewählt. In den drei erstgenannten Ländern treten mit den rechtspopulistischen Parteien Alternative für Deutschland (AfD), Front National (FN) und Partij voor de Vrijheid (PVV, Partei für die Freiheit) drei FPÖ-nahe Parteien an. Bei einem Sieg der FPÖ würden sie dies als Signal für einen rechten Umschwung in der EU deuten. Der italienische Movimento 5 Stelle (die Fünf-Sterne-Bewegung) ist nicht rechtspopulistisch. Gemeinsamer Nenner aller genannten Parteien ist ihre Ablehnung der EU. Heute Morgen twitterte FN-Frau Marion Maréchal-Le Pen auf Deutsch: „Lieber @norbertghofer, ich wünsche Dir für diesen Sonntag große Erfolge. Du hast die Unterstützung von Patrioten aus aller Welt!“

Wieso polarisiert diese Wahl in Österreich so sehr?

Erstmals sind bei der Stichwahl einer Bundespräsidentenwahl weder ein Kandidat der konservativen ÖVP noch ein Kandidat der sozialdemokratischen SPÖ vertreten. Beide Großparteien hatten schwache Kandidaten ins Rennen geschickt. Die Quittung gab es im April in der ersten Runde der Wahl, als Khol (ÖVP) und Hundstorfer (SPÖ) beide mit rund elf Prozent aus dem Rennen flogen. Nur Bau- und Partylöwe Lugner war noch schlechter platziert. FPÖ-Mann Hofer bekam mehr als 30 Prozent der Stimmen, Van der Bellen landete mit etwas mehr als 20 Prozent auf dem zweiten Rang, knapp vor der unabhängigen bürgerlichen Kandidatin Irmgard Griss. FPÖ-Kandidat Hofer hat angekündigt, das Amt im Falle eines Sieges ganz anders zu interpretieren. Hofer sagte, er würde notfalls die Regierung auflösen (etwa wenn es in der Flüchtlingsfrage zu Differenzen käme). Das würde zu Neuwahlen führen. Bei diesen würde die FPÖ unter Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache als Favorit starten. Letzte Umfragen sehen die FPÖ bei über 30 Prozent weit vor SPÖ und ÖVP liegend. Spekuliert wird in Österreich auch über ein anderes Szenario: einen Putsch innerhalb der ÖVP im Falle eines Sieges von Hofer. Dann würde der FPÖ-nahe Teil der konservativen Partei um Innenminister Sobotka versuchen, den eher SPÖ-nahen Parteichef Mitterlehner zu stürzen. Was wiederum zu einem Bruch der aktuellen Koalition (unter dem sozialdemokratischen Kanzler Kern) zwischen SPÖ und ÖVP führen würde. Auch in diesem Szenario käme es zu Neuwahlen.

Wieso wird überhaupt noch einmal gewählt?

Nach der Aufhebung der Stichwahl vom Mai muss erstmals eine Wahl österreichweit wiederholt werden. Aus der ersten Stichwahl ging Alexander van der Bellen als knapper Gewinner hervor (mit 50,35 Prozent der Stimmen). Die FPÖ hat die Wahl daraufhin angefochten und vom Verfassungsgericht Recht bekommen. Es ging um Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Wahlkarten (Briefwahl) und um durchgesickerte Ergebnisse aus der ländlichen Provinz, wo die Wahlbüros bereits mittags um 13 Uhr schließen. Die Wahlkarten dürfen erst montagsmorgens, also am Tag nach der Wahl ausgezählt werden. Einige Kuverts waren damals bereits am Abend zuvor geöffnet worden. Das Urteil führte zu großer Aufregung in Österreich. Mittlerweile sprechen auch Verfassungsrichter hinter vorgehaltener Hand von einem Fehlurteil. Schlampereien wie durchsickernde Ergebnisse und zu früh geöffnete Wahlkarten gab es in Österreich bei jeder Wahl, aber nie zuvor hatte eine Partei das angefochten. Unverständnis über das Urteil herrscht auch in Teilen der Presse. Armin Thurnher vom Falter schreibt, dass im Vergleich zu den Schlampereien bei den US-Wahlen die österreichischen quasi nichtig sind. Das Urteil als Reaktion darauf beschreibt Thurnher als „nordkoreanisch verschärftes Preussentum“.

Wie sind die Prognosen?

Kaum ein Österreicher wagt eine Prognose. Es wird ziemlich sicher knapp werden. Das unterstreichen auch die letzten Umfragen vor der Wahl. Laut einer Gallup-Umfrage führt Hofer mit 52% gegenüber Van der Bellen mit 48%. (800 Befragte, telefonisch und online vom 15. bis 16. 11.2016, max. Schwankungsbreite 4%). Eine Unique-Research-Umfrage sieht Van der Bellen vorne mit 51% gegenüber Hofer mit 49% (957 Befragte, telefonisch und online vom 07.11.-16.11.2016, max. Schwankungsbreite 3,1%).

Wann kommt das Ergebnis?
Nicht einmal das lässt sich klar voraussagen. Für kurz nach 17.00 Uhr sind erste Hochrechnungen angekündigt. Gegen 19.30 Uhr dürfte das erste amtliche Zwischenergebnis vorliegen. Da die Wahlkarten (Briefwahl) aber erst am Montag ausgezählt werden dürfen, wird es bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen am Sonntag noch keinen eindeutigen Gewinner geben (rund 10% der Stimmen wurden über Wahlkarten eingereicht). Bei sehr engem Wahlausgang kann es sogar bis Dienstag dauern.

Wir werden Sie auf www.tageblatt.lu den ganzen Sonntag über mit News direkt aus Wien und Linz auf dem Laufenden halten.