Oktoberfest-Anschlag neu aufgerollt

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Ein Dutzend Tote, mehr als 200 Verletzte hatte das Oktoberfest-Attentates 1980 gefordert. Nun wird erneut ermittelt. Zeitweise wurden auch Beziehungen zu Stay Behind vermutet.

Drei Jahrzehnte hat der Anwalt Werner Dietrich genau darum gekämpft: Die Ermittlungen zum Münchner Oktoberfest-Attentat vom 26. September 1980 werden wieder aufgenommen. Bei dem Anschlag in der bayerischen Landeshauptstadt 1980 waren 13 Menschen getötet und 200 verletzt worden. Unter den Toten ist der Attentäter Gundolf Köhler, ein ehemaliger Anhänger der rechtsextremen „Wehrsportgruppe Hoffmann“.

Opfervertreter und Politiker besonders der Grünen hatten stets öffentlich angezweifelt, dass der grausame Anschlag das Werk eines Einzelnen war. Den damaligen Ermittlungen zufolge beging Köhler die Tat aus Frust, auch über eine verpatzte Prüfung.

Spekuliert wurde zeitweise auch, ob es einen Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Bahnhof von Bologna im August 1980 mit 85 Toten gab, oder Verbindungen zu internationalen Geheimdiensten. Gab es eine Verbindung zu Stay Behind? Anfang Oktober hatte sich der der Bayerische Rundfunk (BR) mit dem Anschlag und der Geheimarmee beschäftigt. In dem Radiobeitrag kommen auch die „Bommeleeër-Anschläge in Luxemburg zwischen 1984 und 1986 zu Wort.

Welche Dimension das Oktoberfest-Attentat wirklich hatte. Nun sind die Ermittler wieder am Zuge.

Eine neue Richtung

Nun sagt Generalbundesanwalt Harald Range, es sei der „schwerste rechtsextremistische Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Eine neue Richtung. Opfervertreter hatten wiederholt kritisiert, Spuren in rechtsradikale Kreise seien nicht ausreichend verfolgt worden.

Ein Grund, in dem Fall neu zu ermitteln, ist eine neue Zeugin, die Dietrich präsentiert hat. Die Frau gibt demnach an, sie habe am Tag nach dem Anschlag Flugblätter mit einem Nachruf auf den Bombenleger Köhler gefunden – noch bevor dessen Name öffentlich bekannt war.

Von Polizei abgewimmelt

Sie hatte damals als Studentin Sprachkurse in einer Aussiedler-Unterkunft gegeben und wollte eine Jacke in einen Schrank hängen. Dort sah sie neben den Flugblättern zwei Pistolen. Sie sei zur Polizei gegangen, aber abgewimmelt worden, sagt Dietrich.

Ebenso wie er kämpfte auch der Reporter Ulrich Chaussy vom Bayerischen Rundfunk jahrzehntelang für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen. Chaussy enthüllte in seinem mit Originalaufnahmen angereicherten Kinofilm „Der blinde Fleck“ Anfang des Jahres Ungereimtheiten, setzte Puzzle-Teile zusammen und warf Fragen auf.

„Von Vertuschungen geprägt“

„Ich war sehr skeptisch, ob es diese Wiederaufnahme geben wird“, sagt der Reporter. Denn die Chancen, die Hintergründe aufzuklären, seien in den 1980er Jahren weit besser gewesen. Doch die Geschichte der Ermittlungen sei „von Vertuschungen geprägt“ gewesen.

Im Zuge der Ermittlungen hatte die Bundesanwaltschaft mehr als 850 Spuren verfolgt und 1700 Zeugen vernommen. Mehr als 100 Sachverständigengutachten wurden erstellt. Doch es blieb ein Wirrwarr aus Details, Seitensträngen, möglichen Verbindungen.

„Neue Beweismittel“

„Neue Beweismittel aus lange zurückgehaltenen Ermittlungsakten und Zeugenaussagen, die kaum mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen in Einklang zu bringen sind, haben unsere Zweifel noch einmal verstärkt“, sagte kürzlich der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Konstantin von Notz. Nach dem Versagen bei der Aufdeckung der NSU-Morde und dem NSA-Skandal sei das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden erheblich beschädigt – der Fall müsse dringend vollständig aufgeklärt werden.

Für Empörung sorgte vor ein paar Jahren die Nachricht, dass amtlich verwahrte Beweismittel Ende der 1990er Jahre vernichtet wurden. Laut Chaussy ging es um gut 40 Zigarettenkippen unterschiedlicher Marken aus Köhlers Auto und ein Stück einer abgerissenen Hand, deren Fingerabdruck sich auf Gegenständen in Köhlers Wohnung fand. Laut Bundesanwaltschaft war die Hand aufgrund der Fingerspuren Köhler zuzuordnen. Opfervertreter haben daran Zweifel geäußert.

Schon vor Jahren gab es Berichte, dass ein Zeuge ein Rechtsradikaler gewesen sein und Verbindungen zum Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) gehabt haben könnte. Kürzlich stellten die Bundestags-Grünen dazu eine Anfrage. Sie vermuten, dass der Waffensammler, der ein möglicher Hintermann sein könnte, als V-Mann diente. Nach Chaussys Recherchen beging er in der Zelle Selbstmord, just bevor er befragt werden sollte.