Obamas Doppelgipfel droht Zank

Obamas Doppelgipfel droht Zank
(dpa)

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2011 hat sich die G8 noch um den arabischen Frühling und die Fukushima-Atom-Katastrophe gekümmert. Diesmal sind die Gipfel-Teilnehmer mehr mit sich beschäftigt. Mehr Gemeinsamkeit wäre auch vor dem Nato-Treffen wünschenswert.

Barack Obama stehen vier glanzvolle Tage bevor. Einerseits. Denn der Präsident kann mitten im Wahlkampf erlesenen Gästen und seiner Nation demonstrieren, dass die USA noch immer Kraft und Vision einer Supermacht haben. Andererseits drohen Zank und Halbherzigkeit, denn entscheidende Bewegung in zentralen Fragen der Weltpolitik ist mehr als fraglich.

In der kommenden Woche (18./19.) trifft sich zunächst im abgeschiedenen Landsitz Camp David die Gruppe der Acht (G8), der mächtige Club der stärksten Industrienationen und Russlands. Zur G8 gehören die USA, Kanada, Russland, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien.

Nato-Gipfel in Chicago

Anschließend bittet Gastgeber Obama fast 60 Staats- und Regierungschef zum Nato-Gipfel nach Chicago (20./21.). Obama kämpft um eine zweite Amtszeit und wird versuchen, sich als globaler Führer zu präsentieren. Allerdings sind die wenigsten Probleme, die anstehen, mit leichter Hand zu lösen. Das dürfen dann die Europäer auch nochmal am eigenen großen Leib spüren, unmittelbar nach den US-Gipfeln sehen sie sich in Brüssel zum Sondergipfel der EU wieder.

Vorher werden sie am G8-Verhandlungstisch wieder von ihrer leidigen Euro-Schuldenkrise berichten müssen. Die Horrorszenarien sind trotz aller finanziellen und politischen Kraftakte unverändert: eine Pleite Griechenlands und eine Kapitulation Spaniens – und im schlimmsten Fall auch Italiens – vor den Finanzmärkten. Mitnichten sitzt Obama eine geschlossene europäische Formation gegenüber, die einig über die Rezepte wäre.

Merkel ohne Verbündeten

So findet die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im neuen französischen Präsidenten François Hollande – der wie Italiens Premier Mario Monti ein G8-Debüt gibt – keinen natürlichen Verbündeten. Merkels Forderungen nach Sparen und schmerzhaften Reformen hält Hollande für zu kurz gedacht: Im Wahlkampf jonglierte er erfolgreich mit der Parole „Mehr Wachstum“. Er kann auch nach Griechenland zeigen, wo viele Bürger als Antwort auf den Sanierungskurs bei den jüngsten Wahlen für Extremisten links wie rechts stimmten. Auch Monti weiß ein Lied von der Gratwanderung zu singen, die Finanzen zu sanieren, ohne die Konjunktur abzuwürgen. Seine Landsleute sind wie die Spanier zum Protest bereit.

Dass der US-Präsident die Geschichte mit dem Wachstum gerne hört, ist klar, denn die Konjunktur in den USA kommt nicht ins Rollen. Noch immer leidet das Land unter den Folgen der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise und kämpft mit vergleichsweise hoher Arbeitslosigkeit. Das ist Gift für jeden Wahlkämpfer.

Obama ohne Spielraum

Und Obama hat angesichts der gewaltigen Schuldenlast der USA und des Sperrfeuers der gegnerischen Republikaner kaum Spielraum, die Wirtschaft weiter auf Pump anzukurbeln. Schützenhilfe in Form großzügiger staatlicher Konjunkturprogramme aus Europa käme da recht. Es wäre nicht der erste Gipfel, auf dem transatlantische Streitereien über die richtige Wirtschaftspolitik am Ende notdürftig in der Abschlusserklärung kaschiert werden. Für die Kanzlerin ist Pump ein Unwort.

Apropos Gipfelerklärung: Natürlich wollen die Staats- und Regierungschefs auch über Klimaschutz, Energieversorgung, den Hunger auf der Welt sowie den demokratischen Aufbruch in der arabischen Welt reden. Doch schon vor Beginn des Treffens argwöhnen erfahrene Klimaschützer und andere Nicht-Regierungsorganisationen, ob die Worte der G8 Substanz haben werden. Und zum Nato-Gipfel in Chicago stellen sich Tausende Sicherheitskräfte auf Proteste ein – eine Stadt im Ausnahmezustand.

Obama und Putin

Ob der US-Präsident wenigstens bei außenpolitischen Themen punkten und Konsens herstellen kann, ist nach der Absage des neuen – besser erneuten – russischen Präsidenten Wladimir Putin fraglich. Obama und Putin wird ein schwieriges Verhältnis nachgesagt. Da vier der acht G8-Staaten mit Vetorecht als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat sitzen, bietet die kleine Runde durchaus Gelegenheit, diplomatisch voranzukommen.

Putin, schon von 2000 bis 2008 Präsident, schickt seinen Vorgänger Dmitri Medwedew, jetzt russischer Regierungschef. Welche Vollmachten hat Medwedew? Bringt er neue Ideen mit, den eskalierten Syrienkonflikt zu beenden oder den unkontrollierten Atomprogrammen Nordkoreas und des Irans einen Riegel vorzuschieben?

Wichtigstes Thema

Bleibt dem US-Präsidenten zum Abschluss des Konferenzmarathons die Hoffnung auf einen versöhnlichen Nato-Gipfel mit vorzeigbaren Ergebnissen. Wichtigstes Thema ist: Wie geht es weiter in Afghanistan, wenn die internationale Sicherheitstruppe Isaf Ende 2014 den Kampfeinsatz beendet und den Job an die Afghanen übergibt.

Klar ist, dass Afghanistan weiter ausländische Ausbilder und jede Menge Geld braucht, um dauerhaft gegen die radikalislamischen Taliban zu bestehen. Es geht darum, jährlich Lasten von 3,1 Milliarden Euro unter den 28 Alliierten zu verteilen – viel Geld in Zeiten leerer Kassen dies- und jenseits des Atlantiks. Und möglicherweise macht Frankreichs neuer Präsident auch noch ein Fass auf. Im Wahlkampf hat Hollande versprochen, die französischen Soldaten schon 2012 aus Afghanistan zurückzuholen. Bündnissolidarität sieht anders aus. Vor dem Glanz der großen Gipfel wartet harte Arbeit auf Barack Obama.