„Nur weil ich eine Roma bin“

„Nur weil ich eine Roma bin“
(dpa)

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Die Situation der Roma in Europa ist bis heute deutlich schlechter als die der meisten EU-Bürger. Wir haben uns in Bollendorf-Pont mit Flüchtlingen aus Albanien und dem Kosovo unterhalten.

„Die Flüchtlinge, wie auch wir, wurden in den vergangenen 14 Tagen zum Spielball vieler Kritiker. Ich hoffe, es kehrt langsam wieder Ruhe in der Gemeinde Berdorf ein“. So lautet ein Wunsch von „Hotel André“-Besitzer Marc Aulner und seiner Frau.

Die Bürger der Gemeinde Berdorf sind sauer auf die Flüchtlingspolitik der Regierung.

8. April: Internationaler Roma-Tag
Der Internationale Tag der Roma erinnert jährlich an den ersten internationalen Roma-Kongress. Bei dem Treffen am 8. April 1971 in London wurde die „Romani Union“ als erste weltweite Organisation dieser Volksgruppe gegründet. Seitdem machen die Roma und Sinti an diesem Tag auf ihre Lage aufmerksam.

Mit bis zu zwölf Millionen Menschen in den 27 EU-Ländern sind sie die größte ethnische Minderheit Europas. Allein in der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien leben zusammen drei bis vier Millionen. Nach Angaben der EU-Agentur für Menschenrechte gehören Roma zu den am meisten von Armut, Arbeitslosigkeit und Analphabetismus betroffenen Gruppen in Europa.
dpa

Es ist Freitagmorgen, im Frühstücksraum des ehemaligen Hotels sitzt die 13-jährige Damira mit ihrer Mutter Zamira (36). Gegenüber sitzt die 14-jährige Telida, sie muß heute auf den kleinsten einer anderen Familie aufpassen. Ein wenig scheu aber mit neugierigen Augen erzählen sie von den Geschehnissen der vergangenen Tage: „Es ist komisch, wir sind vor sechs Jahren aus Albanien vor der dortigen Diskriminierung und den Gewaltexzessen nach Luxemburg geflüchtet. Inzwischen gehen meine Kinder hier zu Schule, sprechen luxemburgisch und haben hier Freunde gefunden. Obwohl wir endlich Ruhe gefunden haben, beschleicht mich wieder eine tiefe Angst,“ so Zamira. Die Protestaktion der Bürger vom vergangenen Wochenende hat bei den Flüchtlingen für Unsicherheit gesorgt. Wir werden tagtäglich mit bösen Blicken konfrontiert.

„Hier geht es uns besser“

„Nur weil ich ein Roma bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht schreiben und lesen kann oder gar stehle. Leider sind das die üblichen Vorurteile, wie schon in meiner alten Heimat,“ unterstreicht die zweifache Mutter. Aus dieser Perspektive erscheint aber ein Leben in Westeuropa, wie zum Beispiel in Luxemburg, für viele Roma immer noch verheißungsvoller als ihr erbärmliches Dasein in der Heimat. „Hier geht es uns besser als in Albanien, auch wenn ich nur noch eine lückenhafte Erinnerung daran habe,“ so Tochter Damira. Gerade Roma gelten in Europa als die am meist diskriminierte Bevölkerungsgruppe. Sie werden oft nur als Straßenmusikanten wahrgenommen oder mit Kriminalität in Verbindung gebracht.

„Ich heiße Telida und bin 14 Jahre alt. Mit meinen Eltern bin ich vor zwei Jahren aus dem Kosovo nach Luxemburg gekommen. Ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern, meine Eltern erzählten von einem schrecklichen Krieg dort. Wir erhoffen uns jetzt ein besseres Leben hier im Land,“ so das junge Mädchen. „Im Gegensatz zu der Einrichtung in Weilerbach müssen wir uns hier die Duschen und Toiletten nicht teilen,“ erzählt die 36-jährige Zamira. Seit Anfang April sind fünf Familien (20 Personen) in dem ehemaligen Hotel in Bollendorf-Pont untergebracht. Bei dieser Zahl soll es auch bleiben, heißt es.

„Wir haben bislang nichts bereut“

Für die Besitzer der Anlage, das Ehepaar Aulner, war es die Rettung vor der Pleite. Innerhalb eines Monats war man sich mit dem „Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“ (OLAI) einig. Trotz vieler Kritik besorgter Bürger, gibt es auch Rückendeckung. „Andere Hotelier-Kollegen haben uns unterstützt und sogar Hilfe angeboten. Und schlussendlich sind wir über unsere Entscheidung froh und haben bislang nichts bereut. Die hier untergebrachten Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit,“ unterstreicht Hotelbesitzer Marc Aulner. Er kann die Ängste in der Gemeinde nachvollziehen. Hier wurde der Bürgermeister ohne Absprache von oben vor vollendete Tatsachen gestellt, heißt es. Die Regierung in Luxemburg muss sich jetzt mit Modellen auseinandersetzen, um eine – bestimmt nicht einfache – Integration zu ermöglichen.

Nur 42 Prozent der Roma-Kinder schließen einer europäischen Studie zufolge die Grundschule ab, die Lebenserwartung ist zehn Jahre geringer und die Kindersterblichkeit fünf Mal höher. Damit sich das ändert, sollen die Roma künftig europaweit besser integriert werden. Das Ziel ist klar: Neben einem besserer Zugang zu Bildung, Jobs und Wohnungen muss auch die Gesundheitsversorgung dringend verbessert werden. So fasste EU-Justizkommissarin Viviane Reding die dringlichsten Ziele zu Wochenbeginn bei der Präsentation der europäischen Roma-Strategie zusammen.

Auch Luxemburg braucht einen Plan

Beim Treffen der Arbeits- und Sozialminister im Mai soll das Thema auf der Tagesordnung stehen. Bis spätestens Ende des Jahres soll dann jedes Mitgliedsland Pläne vorlegen, wie es die Situation der größten ethnischen Minderheit in Europa verbessern will. Die Erfolge sollen dann jährlich überprüft werden, heißt es.