Nur reife Kandidaten für das Seminar

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LUXEMBURG/VATIKAN – Der luxemburgische Erzbischof, Jean-Claude Hollerich fordert eine „positive“ Sicht der Sexualität bei den Seminaristen und Priestern. Eine spezielle Ausbildung soll dabei helfen.

Mehr als 200 Bischöfe und Wissenschaftler haben anlässlich eines Symposiums in Rom am letzten Wochenende zugegeben, dass schwere Mängel bestehen, was die affektive Ausbildung der Priester anbelangt. Sie sei oft der Grund für die sexuellen Übergriffe auf Minderjährige. Die freiwillige sexuelle Enthaltsamkeit der Priester an sich könne aber nicht für die sexuellen Missbräuche verantwortlich gemacht werden, betonten die Kirchenvertreter. Man müsse jedoch umdenken. Die sexuelle Revolution der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts sei nicht spurlos an der Kirche vorbei gegangen. Die Würdenträger würden nicht mehr in einem „luftleeren Raum“ leben.

Auch Luxemburgs katholische Kirche ist damit beschäftigt, die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten. Am 26. April 2011 ist ein Leitfaden zum richtigen Umgang von sexuellem Missbrauch im „kirchlichen Bereich“ in Kraft getreten. Herausgeber ist die katholische Kirche in Luxemburg. Die Opfer der Übergriffe erhalten eine Entschädigung bis zu 5.000 Euro von ihren Peinigern, wenn die Tat verjährt und Schadenersatz nicht mehr gerichtlich erwirkt werden kann. Kann oder will der Täter nicht selbst zahlen, springt die Kirche ein. Das entschied vor kurzem Erzbischof Hollerich.

Erzbischof fordert Verbesserungen

Für Aufsehen sorgten Aussagen des Luxemburger Erzbischofs währen des Symposiums. Die Nachrichtenagentur AFP führte ein Interview mit dem Kirchenmann.

Wie soll das „neue“ Priesterseminar aussehen?

Jean-Claude Hollerich: „Wenn junge Leute ins Seminar eintreten, ist ihr Reifeprozess oft noch nicht abgeschlossen. Es ist notwendig, dass die Jugendlichen im Seminar ein familiäres Umfeld vorfinden, wo dieser Reifeprozess weitergehen kann. Ich befürchte jedoch, dass in zu großen Institutionen die Entwicklung der Jugendlichen zu einem verantwortungsvollen Erwachsenen gebremst oder sogar unterbrochen wird. Wir brauchen andere Strukturen und mehr menschliche Erfahrungen.“

Was soll die neue Ausbildung im Seminar beinhalten?

„Im Allgemeinen sind die Seminarstudien gut. Es gibt aber Defizite im menschlichen Bereich. Man müsste zum Beispiel mehr Praktika vorsehen, zum Beispiel in Krankenhäusern.

Diese praktischen Kurse machen jedoch nur Sinn, wenn die Studenten gut betreut werden. Die Verringerung der Anzahl der Seminaristen in Europa gibt uns die Möglichkeit, die Ausbildung individueller zu gestalten. Kurse, welche die Sexualität und die Affektivität als Thema haben, sollen den jungen Leuten die Möglichkeit geben, ihre Angst zu überwinden und die Fragen zu stellen, die ihnen auf dem Herzen liegen. Sie brachen eine spirituelle Leitung, die nach den Studien weitergehen muss. Junge Priester leben im Seminar in einem geschützten Umfeld. Wenn sie geweiht werden, ist dieser Schutz plötzlich nicht mehr da.“

Sind Seminaristen von heute reif? Wäre es nicht besser für jene, die es nicht sind, ein „normales“ Leben in einer heterosexuellen oder homosexuellen Beziehung zu wählen?

„Ich habe das Gefühl, dass viele Seminaristen sich ihrer Sexualität nicht bewusst sind. Sie schwören dem Zölibat die Treue, bevor sie ihre Sexualität entdeckt haben. Das ist sehr gefährlich, weil man von ihnen verlangt, ihre Sexualität für die Kirche und den Dienst an ihren Mitmenschen aufzugeben.

Es ist wichtig, den Seminaristen den spirituellen Kampf und die asketische Tradition der Kirche zu lehren. Einige Studenten sind reifer als andere. Zwanzigjährige können sehr reif sein, Dreißigjährige aber noch nicht. Kandidaten, die nicht reif genug sind, in das Priesterseminar einzutreten müssen abgewiesen werden. Es ist wichtig, glaubhaft zu bleiben. Für die Evangelisierung Europas benötigen wir starke Leute. Priester müssen eine klare, positive Sicht der Sexualität haben und vermitteln. Sie dürfen sie nicht als Gefahr ansehen. Wie können Priester bei einer Heiratszeremonie ihren Segen geben, wenn sie eine negative Sicht der mit einer Ehe verbundenen Sexualität haben?

Die Frage der homosexuellen Priester muss ebenfalls thematisiert werden. Man muss ihnen klarmachen, dass sie dieselben Pflichten haben und demselben Zölibat unterworfen sind, wie ihre heterosexuellen Kollegen.“