Mittwoch12. November 2025

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„Niemanden kümmert es, ob wir überleben“

„Niemanden kümmert es, ob wir überleben“
(AFP/Christof Stache)

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Grausame Schlepper, langes Ausharren in praller Sonne, kurze Nächte in kühlen Lagern, unendliche Zug- und Busfahrten - dies sind tägliche Beschwernisse tausender Flüchtlinge auf der Westbalkanroute.

„Es fängt im Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland an, niemanden kümmert es, ob wir überleben (Link) oder sterben“, sagt der 25-jährige Mohammed aus der kriegszerstörten syrischen Stadt Homs, als er in Belgrad, der serbischen Hauptstadt, aus einem Bus steigt. „Wir fliehen vor der Unterdrückung – und auf dem Weg verlieren wir unsere Würde ganz“, klagt der frühere Student.

Auf ihrem Weg von der Türkei über Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Ungarn müssen zehntausende Flüchtlinge wie Mohammed Hürde um Hürde nehmen. So warten sie etwa stundenlang in trostlosen Registrierungslagern wie in Presevo an der mazedonisch-serbischen Grenze unter sengender Sonne mit nur wenig Wasser und Lebensmitteln.

„Wir sind wie Gespenster“

Entlang der Route sind Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen unterwegs, die lange Märsche auf sich nehmen. Die Grenzen überqueren sie an eigens eingerichteten Stellen abseits des normalen Verkehrs. Hunderte Menschen werden in alten Zügen befördert, zahlreiche weitere in Bussen. Überall schlafen dort Kinder, in den Gängen stillen Mütter ihre Babys.

„Wir sind hier wie Gespenster“, sagt der 27-jährige Iraker Ahmed, der mit seiner Ehefrau Alia und ihrem vier Monate alten Baby auf der Flucht durch Mazedonien nach Serbien ist. „Wir sehen so viele Länder, aber wir sind vor allen Blicken verborgen – es ist, als wollten sie uns schnell loswerden“, ergänzt er.

Warten auf Erlaubnis

Am Eingang zum Lager in Presevo bietet ein Gauner Bustickets nach Belgrad zu zwei unterschiedlichen Preisen an. „Sie zahlen 50 Euro, wenn sie das Papier nicht haben, ansonsten 25 Euro“, sagt er. Gemeint ist eine Erlaubnis zum 72-stündigen Aufenthalt in Serbien, welche die Weiterreise nach Ungarn ermöglicht, aber nur von Behörden ausgestellt werden kann.

Aswad, ein Mann Mitte 20 aus Syriens Hauptstadt Damaskus sagt, ihm sei eine gefälschte Erlaubnis im Supermarkt nahe dem Lager von Miratovic in Serbien für 40 Euro angeboten worden. „Wenn wir das Geld gehabt hätten, hätten wir das Angebot vielleicht angenommen, aber wir haben die Nacht im Camp verbracht und dort auf das Papier gewartet“, ergänzt er.

Gefälschte Ausreise-Papiere

Dass eine solche Entscheidung, wie sie Aswad und sechs mit ihm fliehende Freunde treffen, von Vorteil sein kann, zeigt sich bei einer Polizeikontrolle von zwei Bussen mit insgesamt etwa 150 Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan an Bord nahe Vranje im Süden Serbiens. Beamte finden dort sechs gefälschte Papiere. Die Busse werden aufgehalten, die Passagiere mit den falschen Papieren in einer langwierigen Prozedur identifiziert und zusammen mit dem Busfahrer zum Verhör zur Polizei gebracht.

Insgesamt fünf Stunden lang müssen die übrigen Flüchtlinge an der 450 Kilometer langen Autobahn von Presevo nach Belgrad warten. „Das Baby braucht seine Flasche, woher bekomme ich nur Wasser“, fragt der Iraker Ahmed, während seine Frau das hungrige Kind beruhigt. Erst lange nach Einbruch der Dunkelheit bringt die Polizei die Passagiere mit den falschen Papieren zurück, und die Busse dürfen nach Belgrad weiterfahren. Als sie dort am frühen Morgen ankommen, herrscht nichts als Erschöpfung.

Legale Einreise

Mohammed aus Homs sieht eine einfache Lösung für die vielen Probleme. „Wenn die Staaten die Entscheidung treffen würden, uns legal einreisen zu lassen, würde das alles nicht passieren“, sagt er und rechnet damit, dass auf dem Weg nach Deutschland noch einige Hindernisse lauern: „Wir werden hier als Illegale betrachtet, nicht als Hilfs- und Schutzbedürftige.“

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