Nichts geht mehr in Athen

Nichts geht mehr in Athen
(AFP/Louisa Gouliamaki)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ohne Finanzspritzen droht Griechenland im Sommer erneut der Staatsbankrott und der "Grexit". Diesmal könnte es ernst werden.

Gefangen zwischen Gläubigern und Wirtschaftsflaute kann Griechenland weder vor noch zurück im scheinbar unendlichen Drama seiner Schuldenkrise. Selbst den sonst so metapher-freudigen griechischen Medien fällt langsam nichts mehr ein. Die Situation ist kein gordischer Knoten, den man zerschlagen könnte; keine Odyssee, die mit Mut und Glück zu bewältigen wäre, kein trojanisches Pferd, mit dem man trickst.

Die Lage ist aussichtslos – so jedenfalls empfinden es die Griechen, die trotz oder gerade wegen der unzähligen Sparmassnahmen der vergangenen Jahre nicht auf die Beine kommen. Stattdessen macht wieder das Schreckgespenst „Grexit“ die Runde.

Streit um Schuldenerlass

Nicht einmal die Gläubiger des Landes können sich auf ein Vorgehen einigen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) glaubt, die griechische Schuldenlast von über 300 Milliarden Euro sei langfristig nicht zu bewältigen.

Zudem kritisiert er die Annahme der europäischen Gläubiger, Griechenland könne in den kommenden Jahren konstant ein Wachstum von 3,5 Prozent erreichen. Stattdessen fordert er von den europäischen Partnern einen weitreichenden Schuldenerlass und von Griechenland zusätzliche massive Sparmassnahmen.

Doch für den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble kommt ein Schuldenerlass für Griechenland – zumal vor der Bundestagswahl im Herbst – nicht in Frage. Wenn der IWF jedoch aussteige, ginge es ebenfalls nicht, denn dann müsse man weitere Hilfen erneut vom Bundestag absegnen lassen, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.

Rentenkürzungen und Steuererhöhungen

Derweil jongliert Ministerpräsident Alexis Tsipras, was das Zeug hält. Hatte er seinem Volk noch vor zwei Jahren versprochen, dem Gläubigerzwang ein Ende zu bereiten, setzte er in der Folge unzählige Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen durch. Allein zum Jahresbeginn 2017 stiegen die Abgaben auf Benzin, Kaffee, Tabak, Mobiltelefonie und Festnetz. Die Mehrwertsteuer wurde ebenso erhöht wie die Abgaben vor allem der Freiberufler für Krankenversicherung und Rente.

Überhaupt, Rente – die Zahl der direkten und indirekten Rentenkürzungen kann in Griechenland nur noch geschätzt werden. Über den Daumen gepeilt dürften die Rentner in den vergangenen Jahren rund 15 Mal angegangen worden sein, viele Menschen erhalten heute weniger als 50 Prozent der ursprünglich anvisierten Zahlungen.

Trotz macht sich breit

Und so ist die Bevölkerung mit ihrer Geduld am Ende. Konsum und Binnenkonjunktur sind am Boden, die Investitionen tendieren gegen Null, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Jene jungen Menschen, die überhaupt Arbeiten finden, verdienen meist nur den Mindestlohn von 486 Euro pro Monat – brutto. Auch die Rentner, die in vielen Fällen ihre Familien unterstützten, können wegen der Kürzungen kaum helfen.

Also macht sich Trotz breit. „Wir können nicht mehr! Dann gehen wir eben zurück zur Drachme“, heißt es beim Friseur, in der Kneipe, im Taxi. Befeuert wird diese Diskussion seit kurzem auch von Hinterbänklern der regierenden Linkspartei Syriza. Man verstehe nicht, warum angesichts der aussichtslosen Situation ein Euro-Austritt nicht einmal diskutiert werden dürfe, heißt es.

„Grexit“ kaum Thema

Ähnlich sieht das der Vizepräsident des EU-Parlaments, der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. „Wir müssen so schnell wie möglich einen Weg finden, wie wir Griechenland zwar in der EU und ihrer Solidargemeinschaft halten, aber aus der Eurozone hinaus begleiten“, sagte er der Zeitung „Heilbronner Stimme“ (Mittwoch).

Zudem kritisiert er, dass die Union und Schäuble im Bundestag das „glasklare Versprechen“ gegeben hätten, dass sie ohne IWF-Beteiligung einem dritten Hilfspaket von 2015 bis 2018 nicht zustimmen würden. Der Fonds aber hält sich bislang zurück. „Deshalb ist es nun an der Zeit, die Dinge zu begradigen.“ Andernfalls wolle die FDP den „Wortbruch“ der Union zum Wahlkampfthema machen.

Bei den europäischen Institutionen ist der „Grexit“ hingegen kein Thema. In den kommenden Wochen dürfte es vor allem darum gehen, mit dem IWF einen Kompromiss zu finden, heißt es in Brüssel. Auch die Euro-Finanzminister dürften sich beim Treffen am 20. Februar darüber die Köpfe zerbrechen. Denn im Sommer stehen für Griechenland Rückzahlungen in Milliardenhöhe an.

Zwischen den Mühlsteinen

Und schließlich: Dass es in Griechenland keine Wirtschaftskraft gibt, die die eigene Währung stützen könnte, fällt bei den Athener Stammtischgesprächen zum „Grexit“ unter den Tisch. Genauso wie der Gedanke, dass die Schuldenlast ja auch künftig in harten Euro bedient werden müsste. Oder die Tatsache, dass Griechenland sich nicht einmal mit Nahrungsmitteln selbst versorgen könnte, sprich, auch mit einer inflationsschwachen Drachme viele Lebensmittel importieren müssten.

Zwischen den Mühlsteinen gibt es für Ministerpräsident Tsipras eigentlich nur zwei Optionen. Die erste: Augen zu und durch. Alle neuen geforderten Sparmaßnahmen – darunter die Senkung des Steuerfreibetrags von rund 9000 Euro auf 5000 Euro im Jahr – durchwinken und schauen, was herauskommt. Oder Neuwahlen veranlassen.

Das Kalkül hinter letzterer Variante: Syriza findet in der Bevölkerung ohnehin kaum noch Unterstützung. Bevor man im politischen Nirwana verschwindet, könnte man den Konservativen die heiße Kartoffel zuwerfen – und nach deren zwangsläufigem Scheitern zumindest noch politisch existent sein. Allein der griechischen Bevölkerung hilft das reichlich wenig.