/ Nein heißt Nein
Was wäre, wenn nicht etwa Italien das „Macho“-Land in Europa wäre, sondern Frankreich? Was wäre, wenn Frankreich das Land mit einem geringen Respekt vor der Frau in Europa wäre? Jede fünfte Frau in Frankreich klagt darüber, dass sie bereits Opfer von sexuellen Belästigungen geworden ist. Das geht aus einer Veröffentlichung der französischen Sonntagszeitung „Le Journal du dimanche“ hervor.
In der Zeitung haben 17 ehemalige Ministerinnen ein Manifest veröffentlicht, in dem sie keine Toleranz gegenüber sexuellen Belästigungen mehr ankündigen. Zu den Frauen, die das Manifest unterzeichnet haben, gehören die ehemalige Kulturministerin und Metzer sozialistische Abgeordnete Aurelie Philippetti, aber auch die ehemalige Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde unter Staatspräsident Sarkozy, jetzt Generaldirektorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), sowie die ehemalige sozialistische Justizministerin Elisabeth Guigou und die ehemalige Bürgermeisterin von Straßburg und Kulturministerin Catherine Trautmann. Alle politischen Richtungen sind somit in der Nationalversammlung und im Senat vertreten.
Besserer Schutz gefordert
Die Ministerinnen und Abgeordnete fordern von der Politik, der Justiz und der Polizei, Frauen besser zu schützen sowie Klagen ernst zu nehmen. „Wir müssen die Opfer sexueller Beleidigungen und sexueller Angriffe besser schützen“, fordern die Politikerinnen. Sie beschreiben einen schlimmen Zustand in der französischen Gesellschaft: „Wir verfügen über ein wahres Justiz-Arsenal zum Schutz der Frau. Aber es wird nicht angewandt.
Das Arbeitsrecht schützt die Frau vor Beleidigungen und vor Übergriffen, aber es wird nicht angewandt. Die Folge: Nur wenige Frauen beschweren sich oder klagen gar. Aber die Beschwerden bleiben fruchtlos und nur wenige Klagen führen zu Verurteilungen.“ Die Politikerinnen fordern, dass Frauenvereinigungen das Recht erhalten, anstelle der weiblichen Opfer zu klagen. Sie fordern klare Anweisungen an die Staatsanwaltschaften, sexuelle Beleidigungen oder sexuelle Übergriffe systematisch zu verfolgen.
Entschädigung und Umdenken
Bei den Einheiten der Gendarmerie und der Kriminalpolizei sollen Stellen für speziell ausgebildete Referenten geschaffen werden, die sich um Opfer sexueller Straftaten kümmern sollen. Schließlich fordern die Politikerinnen eine bessere finanzielle Entschädigung von Frauen einerseits durch die Täter, aber auch durch Unternehmen, wenn Frauen diese wegen sexuellen Mobbings verlassen und wenn sie ein Unternehmen verlassen müssen. „Wir fordern ein Umdenken in der französischen Gesellschaft“, heißt es in dem Manifest.
Die Zeitung berichtet über zwei Seiten, wie in der französischen Politik Sekretärinnen, Assistentinnen, Kolleginnen von Männern belästigt werden. Offensichtlich werden dabei in der Nationalversammlung weibliche Abgeordnete von ihren männlichen Abgeordneten-Kollegen nicht geschont. Weibliche Abgeordnete werden danach gefragt, ob sie einen String tragen oder darum gebeten, doch in kürzeren Kleidern zur Nationalversammlung zu erscheinen.
Belästigung durch einen Abgeordneten im Parkhaus
Untereinander schätzen männliche Abgeordnete ihre Kolleginnen danach ein, ob sie neben „einer schönen Brust“ sonst noch etwas zu bieten hätten. Grund für eine staatsanwaltliche Ermittlung wäre wohl die Erzählung, dass im Parkhaus ein Abgeordneter seine Assistentin gegen ein Auto gedrückt und massiv sexuell belästigt hätte. Die Beschreibungen in der Sonntagszeitung lassen die französische Nationalversammlung, die so viel auf sich hält, in einem besonderen Licht erscheinen.
Dazu passt, dass die französische Justiz es nicht gerade darauf anlegt, Sexualvergehen zu verfolgen. Die Pariser Anwältin Agnès Cittadini, die zahlreiche Frauen vertritt, erzählt in der Zeitung von einem Fall, in dem eine Mandantin seit 2010 belästigt wird, Gerichte den Täter mit Verwarnungen davon kommen lassen und erst Ende 2016 ein Verfahren stattfinden wird.
„Protest der 40“ hatte wenig erreicht
Es ist nicht das erste Mal, dass Frauen sich gegen sexuelle Belästigungen und die Laxheit ihres Schutzes in Frankreich öffentlich wehren. Vor zwei Jahren gab es den „Protest der 40“, als 40 Frauen öffentlich anprangerten, dass sie in der französischen Gesellschaft Freiwild seien. Jetzt nutzen die 17 Politikerinnen den Skandal um den grünen Abgeordneten Denis Baupin, um erneut die Öffentlichkeit zu alarmieren. Baupin wird wegen sexueller Belästigungen von Frauen beschuldigt. Der „Protest der 40“ hat wenig gebracht. Was wird das „Manifest der 17“ bringen?
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