Napolitano zögert

Napolitano zögert

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Italiens Staatspräsident Napolitano will Silvio Berlusconi offenbar nicht begnadigen. Der wegen Steuerbetrugs verurteilte Ex-Premier müsste damit seinen Senatsposten räumen. Berlusconis Anhänger drohen mit Protestmaßnahmen.

Das politische Rom befindet sich in höchster Anspannung. Staatspräsident Giorgio Napolitano muss in diesen Tagen entscheiden, ob er dem in höchster Instanz wegen Steuerbetrugs verurteilten Silvio Berlusconi einen Gnadenerlass erweist und dem früheren Regierungschef damit die Möglichkeit einräumt, weiterhin politisch tätig zu sein. Noch gestern hieß es, Napolitano sei zu keinem Zugeständnis bereit.

Silvio Berlusconi hat sich in diesen Tagen auf seinen Privatsitz in Arcore zurückgezogen, lediglich von Getreuen aus der Partei und seinen Anwälten Nicolo Ghedini und Franco Coppi umgeben. Aus engstem Kreise wird berichtet, dass sich der „Cavaliere“ höchst beunruhigt darüber zeigt, was als Entscheidung aus dem Präsidialamt kommen könnte. Sollte sich Napolitano definitiv entscheiden, das Urteil des Kassationsgerichts so hinzunehmen und zu erklären, dass er als Präsident in „dieser Privatangelegenheit“ keine Entscheidungsbefugnis habe – Äußerungen der vergangenen Tage deuten auf einen solchen Trend hin –, so dürfte das Ende der politischen Karriere Berlusconis endgültig besiegelt sein.

Vertrauen in den Präsidenten

Allerdings hoffen die Parteispitzen von Popolo della Libertà (Pdl), dass der Präsident durch ein Machtwort doch die politische Handlungsfähigkeit Berlusconis erhalten werde. Renato Brunetta, Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, ist zuversichtlich, dass Napolitano „einen Teil der Mehrheit“ im Parlament, den Führer einer politischen Bewegung, die immerhin acht Millionen Wähler repräsentiert, respektieren werde. Brunetta erklärte, er habe „volles Vertrauen in den Präsidenten, dass er die Demokratie in ihrer Fülle verteidigen werde“.

Offensichtlich muss auch Berlusconi selbst dieser Ansicht sein, denn bislang hatte der „Cavaliere“ noch kein offizielles Gnadengesuch an den Staatspräsidenten gerichtet, auch sind seine Anwälte diesbezüglich noch nicht auf dem Quirinal vorstellig geworden. Laut italienischer Rechtssprechung wäre aber genau dies notwendig.

„Volles Vertrauen“

Ungeachtet dessen, ob der Senat wie vorgesehen im Oktober über das Mandat Berlusconis entscheidet, oder ob nach Androhungen der Pdl, im Falle des Beendens der politischen Laufbahn ihres Führers die Regierung verlassen zu wollen, Neuwahlen ausgeschrieben würden, könnte nach Anwendung des Severino-Gesetzes bereits jetzt der Senatssessel für den „Cavaliere“ leer bleiben. Dieser Auffassung ist jedenfalls der Vorsitzende des Wahlausschusses des Senats, Dario Stefano (Linke Ökologie Freiheit). Er sehe nicht, warum die Artikel 10 und 12 des Gesetzes 235/2012, das Vorbestraften untersagt, politische Ämter auszuüben, nicht auf Berlusconi anwendbar sei. Stefano führte als Präzedenzbeispiele den römischen Andrea Alzetta sowie den Begründer und Chef der Bewegung 5 Sterne, Beppe Grillo, an, die wegen ihrer Verurteilungen in Strafdelikten (Alzetta: Gewalt während einer Demonstration 1990, Grillo: Verkehrsdelikt mit tödlichem Ausgang 1985) keine parlamentarischen Ämter ausführen dürfen.

Eine endgültige Entscheidung Napolitanos wird noch vor „Ferragosto“ – Maria Himmelfahrt am 15. August – erwartet.