Mögliche Wende im Ukraine-Konflikt

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Zuerst spricht Moskau von einer bedeutenden Annäherung in den Positionen mit Kiew. Dann verkündet der ukrainische Präsident Poroschenko überraschend eine Waffenruhe.

Nach fast sechsmonatigen Kämpfen im Konfliktgebiet Ostukraine hat sich Präsident Petro Poroschenko in Kiew überraschend zu einer Waffenruhe bereiterklärt. Zugleich wurden am Mittwoch Pläne der Ukraine laut, entlang der Staatsgrenze zu Russland eine rund 2000 Kilometer lange Mauer zu bauen. „Wir wollen einen echten Schutz“, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk.

In einem Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin habe er Schritte für eine Waffenruhe erörtert, sagte Poroschenko. Dabei sei ein „Regime der Feuerpause“ vereinbart worden. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte, dass es bei dem Gespräch eine „bedeutende Annäherung“ gegeben habe. Er betonte allerdings, dass es keine Vereinbarung zwischen Moskau und Kiew über eine Feuerpause gebe. Russland könne eine Waffenruhe nicht aushandeln, weil es keine Konfliktpartei sei, sagte Peskow.

Die Separatisten im Donbass berichteten von einem massiven Rückzug der ukrainischen Regierungstruppen. Sie begrüßten Poroschenkos Ankündigung einer Waffenruhe, blieben aber skeptisch. Sollte es Kiew ernst meinen, seien die Aufständischen zu einer politischen Lösung des Konflikts bereit, hieß es.

Taktischer Schachzug Poroschenkos?

Beobachter in Kiew vermuteten, dass Poroschenko sich angesichts jüngster Niederlagen seines Militärs für eine zeitweilige Feuerpause entschieden habe, um die Kräfte neu zu ordnen. Früher hatte es lediglich von Kiew eine einseitig erklärte Feuerpause gegeben.

US-Präsident Barack Obama äußerte bei einem Besuch im Baltikum Zweifel an dem angeblichen Waffenstillstand. Bei „sogenannten angekündigten Waffenruhen“ habe es bisher wenig Zeichen für eine tatsächliche Einigung im Anschluss gegeben, sagte er.

Stundenlange Verwirrung um Waffenruhe

Um den Waffenstillstand hatte es stundenlange Verwirrung gegeben. Zunächst hatte der Kreml mitgeteilt, dass Putin und Poroschenko bei ihrem Gespräch über einen Ausweg aus der Krise beraten hätten. Details wurden nicht genannt. Wenig später überraschte Poroschenko mit der Mitteilung, er habe mit Putin „eine dauerhafte Waffenruhe“ vereinbart.

Nach dem Dementi aus Moskau milderte Kiew seine Mitteilung unkommentiert ab. Das Präsidialamt strich den Zusatz „dauerhaft“ und informierte nur noch über ein vereinbartes „Regime der Feuerpause“, wie wenig später auf der Internetseite der Behörde zu lesen war. Die Änderung auf der Webseite wurde nicht kenntlich gemacht, und die Uhrzeit der Veröffentlichung blieb unverändert.

Zu den Plänen für den Bau einer Mauer sagte Jazenjuk, denkbar sei auch ein Elektrozaun mit Minen und Stacheldraht. Das Projekt soll etwa 100 Millionen Euro kosten. In ihrem Kampf gegen die Aufständischen hat die Regierung in Kiew derzeit die Kontrolle über einen Teil der Grenze in der Ostukraine verloren. Die Führung wirft Moskau vor, hier Nachschub für die Aufständischen einzuschleusen.

Tausende Menschen starben bei dem seit April andauernden Konflikt im russischsprachigen Gebiet der Ukraine. Ein im Konfliktgebiet lange Zeit vermisster Journalist wurde nach Angaben aus Moskau bei einem Angriff ukrainischer Soldaten getötet. Russland forderte Aufklärung. Präsident Putin sprach den Angehörigen des 33-jährigen Fotografen Andrej Stenin sein Beileid aus.