„Menschliche Sicherheit geht vor“

„Menschliche Sicherheit geht vor“
(AFP)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Hat Deutschland in der EHEC-Krise überreagiert? Das Land musste sich in Luxemburg diesen Vorwurf gefallen lassen. Unter anderen von Spanien. Luxemburg stellte sich hinter Deutschland.

Gegen scharfe Kritik hat Deutschland beim Treffen der europäischen Gesundheitsminister das eigene Vorgehen in der EHEC-Krise verteidigt. „Wir hatten den Verdacht und deshalb war es richtig die entsprechenden Verzehrempfehlungen zu geben“, sagte die deutsche Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz am Montag in Luxemburg mit Blick auf die Warnungen vor rohen Gurken, Tomaten und Salat. „Das sind wir den Menschen wirklich schuldig.“ Spaniens Gesundheitsministerin Leire Pajin übte scharfe Kritik am deutschen Vorgehen. Es habe – unbegründet – die eigenen Bauern beschädigt.

„Wir wollen unseren Unmut darüber ausdrücken, wie diese Krise behandelt worden ist. Das hat die Interessen unseres Landes beschädigt“, sagte Pajin. „Wir fordern natürlich Entschädigungen für den gravierenden und bleibenden Schaden, den Spanien erlitten hat.“ Entgegen ersten Annahmen trugen spanische Gurken nicht den aktuell grassierenden EHEC-Keim an sich. Spanische Bauernverbände hatten die Verluste für Landwirte auf 200 Millionen Euro pro Woche beziffert. Pajin stellte auch Forderungen an die EU-Kommission. Sie müsse das Warnsystem für Lebensmittel verbessern.

Italien für bessere Kontrollen bei Biobetrieben

Italien sprach sich für bessere Kontrollen bei europäischen Biobetrieben aus, wie ein EU-Diplomat am Rande des Treffens berichtete. Konkrete Vorschläge seien aber nicht gefallen, hieß es. Von einigen Ländern, darunter Spanien, sei Kritik laut geworden, die wissenschaftliche Basis der Informationen aus Deutschland sei nicht ausreichend gewesen. Andererseits hätten deutsche Behörden die EU-Länder nicht schnell genug über neue Entwicklungen informiert.

Luxemburg stellte sich mit klaren Worten hinter Deutschland. Die menschliche Sicherheit gehe vor, sagte Gesundheitsminister Mars di Bartolomeo laut einem EU-Diplomaten. Wirtschaftliche Verluste könnten – anders als menschliche – ausgeglichen werden. Das Fazit von EU-Gesundheitskommissar John Dalli nach der 45-minütigen EHEC-Runde: „Die eigentliche Frage ist, wo man die Grenze ziehen soll.“ Die Fakten müssten vor einer Warnung aber so eindeutig wie möglich sein.

Deutschland bleibt seiner Linie treu

Deutschland blieb bei seiner Linie: Der Erreger sei „derart aggressiv“ und die Häufung der Fälle in Norddeutschland so massiv, „dass wir jeder Ursache und jeder Spur nachgehen mussten“, sagte Widmann-Mauz. Sie sprach von einem „vorbeugenden Gesundheitsschutz“. Deutschland müsse in der Lage sein, Entscheidungen zum Schutz der eigenen Bevölkerung zu treffen, habe sie im Gespräch mit den Ministern gesagt. Sie vertrat Gesundheitsminister Daniel Bahr.

Die erhoffte Bestätigung über die Infektionsquelle blieb während des Treffens aus. „Wir wären sicherlich froh, wenn es gelingen könnte den Verursacher – nämlich im Zweifel diese Sprossen – dingfest zu machen“, hatte Widmann-Mauz noch am Morgen gesagt. EU-Experten haben ihre Arbeit in Deutschland aufgenommen, um bei der Suche zu helfen. Außerhalb Deutschlands gibt es in Europa bisher rund 100 nachgewiesene EHEC- und HUS-Fälle in elf Ländern – in allen Fällen bis auf einen gibt es nach Informationen des Europabüros der Weltgesundheitsorganisation Verbindungen nach Deutschland.

EU-Agrarminister am Dienstag in Luxemburg

Am Dienstag wollen die EU-Agrarminister bei einem Sondertreffen in Luxemburg über Hilfen für Bauern entscheiden. „Wir hoffen, dass wir eine grundsätzliche Einigung finden können“, sagte der Sprecher von EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos im Vorfeld. Details müssten dann aber noch ausgearbeitet werden. An dem Treffen will auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner teilnehmen.