Der Wind hat sich gedreht

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Es hat sich schon seit einigen Jahren angekündigt: Luxemburg geht auf den Weg der Transparenz und der Offenheit. Als Steuerparadies will man nicht mehr bezeichnet werden.

Nachdem die Abschaffung des Bankgeheimnisses bis vor kurzem noch ein großes Politikum war, wurden die folgenden Schritte unter der neuen Regierung fast schon zu einer Art Routine. Ernst zu nehmende Gegenstimmen gibt es kaum noch.

Christian Muller cmuller@tageblatt.lu

Finanzminister Pierre Gramegna verkauft den neuen Weg als eine Chance für das Land und den Finanzplatz. Langfristig soll Luxemburg von der neuen Transparenz profitieren, und neue Unternehmen und Finanzinstitute sollen ins Land kommen. Er hätte aber auch sagen können: Es gab keine Alternative.

Ein schwieriger Balanceakt

Hätte Luxemburg auf seinen historischen Standpunkten beharrt, würde es heute von seinen Partnerländern wie ein Aussätziger behandelt. Immerhin befinden sich heute Länder wie die Schweiz auf dem gleichen Weg. Da blieb keine andere Wahl, als die neuen Spielregeln zu akzeptieren. Oder besser noch: Da sich Luxemburg globalen Standards anpassen will, ergibt sich die Möglichkeit, die neuen Standards mitdefinieren zu können. Der Weg in die neue Ära wurde für die Politik von den Banken vorbereitet. Bereits im April 2013 hatte der damalige Präsident des Bankenverbandes verkündet: „Wir sind jetzt raus aus der Schmuddelecke.“ Derzeit schreiben viele Medien: „Ab 2017 ist das Bankgeheimnis in Luxemburg definitiv gestorben.“

Ganz so einfach ist das dann doch nicht. Der ganze Prozess hin zu einem neuen Geschäftsmodell für Luxemburg ist ein schwieriger Balance-
akt. Einerseits geht es um die Umsetzung der neuen Regeln. Andererseits will die Regierung bestehende Wirtschaftszweige nicht radikal auslöschen. Das Bankgeheimnis illustriert diesen Balanceakt ziemlich gut: Ja, es wird abgeschafft. Aber nur für Nicht-Einwohner. Wer in Luxemburg lebt, darf sich weiterhin auf das Bankgeheimnis berufen.

Der Weg hin zu einem komplett neuen Geschäftsmodell für Luxemburg wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Die Abschaffung des Bankgeheimnisses (für Nicht-Einwohner) ist hierbei nicht das Ende der Geschichte. Es handelt sich um den Anfang. Andere Fragen, wie die Preise für Benzin, Alkohol oder Tabak (die ausländische Käufer anziehen sollen), werden auch immer wieder thematisiert werden. Für Luxemburg stehen erneut sehr viele Steuereinnahmen auf dem Spiel.

Dennoch ist der eingeschlagene Weg der richtige. Er verhindert, dass Luxemburg zu einem Aussätzigen wird, und er gibt den hiesigen Firmen Rechtssicherheit. Außerdem beteuern viele Banker, dass Luxemburg in der neuen Welt eigentlich gute Karten – oder zumindest viel bessere Karten als die Schweiz – hat. Der Finanzplatz Luxemburg setzt bereits seit Jahren auf die Entwicklung von Finanzprodukten für seine Kundschaft. Das Bankgeheimnis war nur ein Faktor unter vielen. Die angebotene Produktpalette und die bestehende Infrastruktur sorgen dafür, dass das Land interessant bleibt. Und die Schweiz ist nicht einmal Mitglied in der Europäischen Union.