„Matthew“ wütet im Armenhaus Amerikas

„Matthew“ wütet im Armenhaus Amerikas
(AFP)

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Mehr als 100 Tote durch Hurrikan "Matthew" in Haiti: Allein in einer Gemeinde an der Südküste der Karibikinsel soll es 50 Opfer gegeben haben. Auch in den Küstengebieten von Florida, Georgia, South und North Carolina werden Bewohner evakuiert.

Eingestürzte Häuser, umgeknickte Bäume, überflutete Straßen – der Hurrikan „Matthew“ hat eine Schneise der Zerstörung durch den Westen von Haiti gezogen. „Der Sturm hat Dächer abgedeckt, Strommasten umgerissen, viele Leute haben in Kirchen und Schulen Schutz gesucht“, sagt Augenzeugin Doris Wasmeier der Deutschen Presse-Agentur per Telefon aus der Hauptstadt Port-au-Prince. „Jetzt beginnen die Aufräumarbeiten. Es werden Lebensmittel und Hygieneartikel verteilt.“

Am härtesten traf der Wirbelsturm der Kategorie 4 die Departments Sud und Grand’Anse im Südwesten des Karibikstaats. „Wir wissen noch nicht, wie die Lage in der Region ist. Die Kommunikation ist zusammengebrochen und die wichtigste Verbindungsbrücke eingestürzt. Das Gebiet ist völlig abgeschnitten“, erzählt Wasmeier, die nach dem schweren Erdbeben 2010 für die Caritas in Haiti arbeitete und derzeit privat vor Ort ist. Wie auf einem Video der UN-Blauhelmmission Minustah zu sehen war, überquerten Menschen an einer Furt zu Fuß den reißenden Fluss, den zuvor die Brücke überspannt hatte.

Angst vor Plünderungen

Fotos des Zivilschutzes zeigten, dass sich Wege in schlammige Bäche verwandelt hatten. Rettungskräfte brachten Menschen teilweise huckepack in Sicherheit. Nicht alle Bewohner der Region hatten dem Evakuierungsbefehl der Regierung Folge geleistet, viele wohl aus Angst vor Plünderungen. Mindestens 108 Menschen wurden getötet, wie Innenminister François Anick Joseph am Donnerstag mitteilte. „Die Lage ist katastrophal“, sagte Interimspräsident Jocelerme Privert laut einem Bericht der Zeitung Miami Herald.

Trotz Aufbauhilfe in Milliardenhöhe nach dem schweren Erdbeben vor über sechs Jahren hat sich der völlig verarmte Karibikstaat noch längst nicht erholt. Noch immer leben Menschen in Zelten oder einfachen Hütten, die Versorgungslage ist schlecht, und abgelegene Ortschaften sind nur schwer zu erreichen.

Viele Ernten zerstört

Die wirtschaftlichen Schäden im Armenhaus Amerikas dürften enorm sein. „Vor allem die Landwirtschaft bereitet uns Sorgen. Dort verdienen die meisten Leute ihren Lebensunterhalt, und es ist noch immer Anbausaison“, sagt der Regionalchef der Hilfsorganisation World Vision, John Hasse. „Wir haben von mehreren Dörfern gehört, die ihre ganze Bananenernte verloren haben – und das noch nicht einmal in der am stärksten betroffenen Region.“

Einsatzkräfte lokaler und internationaler Hilfsorganisationen versuchen nun, sich in das Katastrophengebiet durchzuschlagen. Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass mindestens 350.000 Menschen Unterstützung benötigen.

Auch in den USA fliehen Hunderttausende Menschen

Hurrikan „Matthew“ hat auch in den USA Hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben. Bewohner der Küstengebiete in den Staaten Florida, Georgia sowie South und North Carolina verbarrikadierten ihre Häuser und brachten sich mit ihren wichtigsten Habseligkeiten in Sicherheit. Die Zahl der Toten durch „Matthew“ stieg mittlerweile auf 29.

Insgesamt wurden in den Staaten an der südlichen Atlantikküste der USA mehr als zwei Millionen Menschen von den Behörden aufgefordert, sich weiter ins Innere des Landes zu begeben. „Das ist ein gefährlicher Sturm“, warnte der Gouverneur von Florida, Rick Scott. „Der Sturm hat bereits Menschen getötet. Wir sollten in Florida mit den gleichen Auswirkungen rechnen.“

Wohl die „größte Evakuierung aller Zeiten“

Er gehe von der größten Evakuierung aller Zeiten aus. Der Gouverneur von Georgia, Nathan Deal, ordnete eine verpflichtende Evakuierung der gesamten Küste an. Betroffen waren allein dort 500.000 Menschen. Der Hurrikan wurde am Donnerstag wieder auf Kategorie 4 hochgestuft, nachdem er sich zwischenzeitlich etwas abgeschwächt hatte.

Damit ist er der stärkste Sturm seit mehr als zehn Jahren, der die US-Atlantikküste heimsucht. Er näherte sich mit maximalen Windgeschwindigkeiten von 225 Kilometern pro Stunde Florida, wo er am Donnerstagabend (Ortszeit) erwartet wurde. Die Ausläufer des Sturms verdunkelten bereits den Tag über den Himmel und brachten erste Regenschauer. Bei der Evakuierung kam es auch zu einem tödlichen Schusswechsel. Ein Autofahrer durchbrach in South Carolina eine Straßensperre der Polizei und zog eine Waffe, wie Sheriff Duane Lewis sagte. Daraufhin hätten die Beamten das Feuer eröffnet und ihn verwundet. Später sei er im Krankenhaus gestorben.