Zwischen Verantwortung und Ideologie

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Der LSAP-Präsident Alex Bodry lädt heute Abend zum Neujahrsempfang seiner Partei. Im Vorfeld sprachen wir mit ihm über den Zustand der Sozialdemokratie, über Kommunalwahlen und ... über Tabakgesetze. Robert Schneider

Tageblatt: Der Zustand der sozialdemokratischen Parteien in Europa ist nicht der beste. Auch in Luxemburg verlor die Partei Stimmenanteile. Woran liegt es?
Alex Bodry: „Die Europawahlen sind hier wohl der beste Gradmesser. In der Tat ging die Stärke der sozialdemokratischen Parteien und damit ihr politischer Einfluss zurück. Es gibt aber auch jüngste Beispiele (Finnland, Griechenland), die zeigen, dass wir immer noch Wahlen gewinnen können. Ein großes Rätsel, für das noch keine schlüssige Erklärung gefunden wurde, ist die Tatsache, dass jene Parteien, die durch ihre Deregulierungspolitik und ihren Glauben an die Macht des Marktes eigentlich Mitauslöser der aktuellen Krise sind, nicht elektoral abgestraft wurden.“

„T“: Haben die Sozialdemokraten ihre Seele verkauft? In vielen Ländern machen sie liberale Politik oder tragen sie mit.
A.B.: „In Luxemburg ging die Deregulierung nicht so weit wie in anderen Ländern. Bei den neuesten Wellen bei der Post und der Energie haben wir gebremst. Beim Bankenplatz ist wohl viel Hypokrisie im Spiel gewesen. Die Deregulierung brachte Steuergelder und hat vieles möglich gemacht.

Wirtschaft diversifizieren

Es gilt jetzt allerdings, sehr vorsichtig zu handeln und Arbeitsplätze abzusichern respektive neue zu schaffen und dies mit sozialen Werten in Einklang zu bringen. Auf jeden Fall müssen wir jetzt weiter in Richtung Diversifizierung der Wirtschaft wirken und auf Bereiche wie elektronischen Handel, Logistik, Umwelt und Gesundheit setzen und das entsprechende Umfeld dafür schaffen. Wir sind in einem klassischen Konflikt: Als Regierungspartei sind wir für die tägliche Administration der politischen Geschäfte mitverantwortlich und haben deshalb Verpflichtungen. Für Oppositionsparteien ist es einfach, Kritik zu üben; wenn man aber wie wir in der Verantwortung steht, sieht dies schon anders aus.“

„T“: Wäre denn eine Periode in der Opposition nicht die bessere Alternative nach den Wahlen gewesen?
A.B.: „Opposition ist in einer Demokratie wichtig, und es zwang uns niemand in die Mehrheit. Allerdings bin ich aufgrund des Wahlresultats und des damit verbundenen Auftrags der Wähler der Meinung, dass wir richtig handelten. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wurden die Oppositionsparteien bei den Parlamentswahlen nicht gestärkt. Die LSAP ist historisch gesehen eher eine Regierungspartei. Seit dem Krieg waren wir in etwa zwei Drittel aller Regierungen dabei. Die Wahlniederlage hatten wir so nicht erwartet. Sie spiegelt wohl die Angst der Bevölkerung wider, die von der CSV mit ihrem Sicherheitswahlkampf bedient wurde. In den Koalitionsverhandlungen konnten wir viele unserer Ideen einfließen lassen. So kann das Land Fortschritte auf gesellschaftspolitischer Ebene machen: Noch in diesem Jahr werden die Gesetze über gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung ins Parlament kommen. Was die Krisenbekämpfung betrifft, so ist klar, dass die Solidaritätssteuer nur ein Mittel sein kann, um die Krise zu bewältigen. Es ist klar, dass dies nicht ausreicht. Wir müssen uns fundamentale Fragen stellen: Wer zahlt? Wie verteilen wir die Belastungen gerecht?“

„T“: In weniger als zwei Jahren finden Kommunalwahlen statt. Wann und wie starten die Vorbereitungen für diesen Wahlkampf?
A.B.: „Die Parteispitze gibt hier nur den nationalen Rahmen vor. Bei Gemeindewahlen ist es wichtig, dass die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Deshalb gilt bei der LSAP eine recht große Autonomie der einzelnenen Sektionen.

Autonomie der Sektionen

Diese Flexibilität ist notwendig, da die Ausgangssituationen sich ja stark nach Wahlort unterscheiden. Voraussichtlich wird es ein harter Wahlkampf werden. Viel hängt davon ab, ob nationale Themen in den kommunalen Wahlkampf einfließen werden.“

„T“: Weshalb sind es sozialistische Minister, die mit unpopulären Themen wie der Herabsetzung der Promillegrenze oder jetzt mit einem eventuellen Rauchverbot in Gaststätten vorpreschen?
A.B.: „Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass Politiker zu Entscheidungen stehen, die sie als richtig empfinden, auch wenn diese beim Wähler nicht gut ankommen. Die Luxemburger Politik hat lange darunter gelitten, dass Entscheidungen am Gegenwind scheiterten. Im politischen Geschäft ist Mut wichtig, sonst können wir die Entscheidungen gleich aufgrund von Meinungsumfragen treffen.“