/ „Wir haben niedrige Preise und wir sind wettbewerbsfähig“
Seine Karriere hatte der studierte Ingenieur Jean Lucius bei der Arbed begonnen. Seit 1998 hatte er unterschiedliche leitende Positionen im Luxemburger Energiesektor inne, zuletzt als Geschäftsführer von Encevo, der Mutter von Enovos. Er hat mit dem Tageblatt über Geschichte, Atomstrom, Wettbewerb, Strompreise, Google und mehr geredet.
Seit der Gründung von Enovos/Encevo vor etwa zehn Jahren leiten Sie den – mit Abstand – größten Luxemburger Energiekonzern. Wenn Sie zurückblicken, was macht Sie glücklich?
Es war eine extrem spannende Zeit. Fast 20 Jahre. Von 1998 bis 2009 leitete ich die Soteg – nach der Fusion dann die neue Firma. Es war eine Zeit, in der sich viel veränderte. Und es war schön, das mitgestalten zu können. Die Fusion war ein wichtiges Projekt für Luxemburg.
… oder traurig?
Da fällt mir eher weniger ein. Natürlich laufen manche Sachen besser und andere schlechter … Aber das ist nun einmal so. Es kann nicht alles zu einem Erfolg werden. Das gehört dazu. Aus den Fehlern muss man dann lernen. Insgesamt war es aber eine sehr positive Periode.
Was war die größte Herausforderung?
Das war die Fusion der drei Gesellschaften. Alle drei hatten sehr unterschiedliche Unternehmenskulturen. Cegedel war praktisch eine Institution, die Soteg eher klein und dann noch Saar Ferngas aus Deutschland.
Das Zusammenbringen der drei war eine Herausforderung – und das in einer Zeit, in der die Branche sich stark veränderte. Es waren quasi zwei Herausforderungen in einer.
Aus einem börsennotierten Unternehmen (Cegedel) wurde ein quasi staatlicher Konzern. Ist das eine gute Entwicklung? Ist Encevo ein Ministerium oder eine Firma?
Wir sind ganz klar eine Firma. Jedoch mit einem wichtigen, guten und stabilem (direkten und indirekten) Aktionär, der sich Staat nennt.
Cegedel war an der Börse quotiert. Das beinhaltete aber viele Auflagen. Gleichzeitig wurde der Titel nur wenig gehandelt. Das hat nichts gebracht.
Nach der Fusion hatten wir immer noch Konzerne wie RWE, E.ON und Electrabel als Aktionäre. Im Nachhinein haben die ihre Beteiligungen aber verkauft. Es war ihnen nicht möglich, die Strategie der Gruppe mit ihren Anteilen substanziell zu beeinflussen. Daher haben sie verkauft. Und als Management wollen wir nicht von einem Aktionär dominiert werden. Wir wollen unsere eigene Strategie.
Gleichzeitig könnte man den Eindruck erhalten, dass seit der Liberalisierung des europäischen Strommarktes in Luxemburg fast ein Monopol entstanden ist …
Es ist nicht mehr Monopol als früher. Soteg und Cegedel waren damals wohl Konkurrenten, wenn es um Firmenkunden ging. Heute nicht mehr. Es ist aber heute möglich, auch Angebote von anderen Energiefirmen einzuholen. RWE und E.ON sind da heute frei. Sie sind ja keine Aktionäre mehr. Schlussendlich hat sich nur wenig geändert.
Und bei den Haushalten ist die Konkurrenz nicht so groß wie etwa in Deutschland oder Belgien. Aber das war auch vorher bereits so.
Im europäischen Vergleich: Wie hoch sind die Preise in Luxemburg?
Sowohl beim Strom als auch beim Gas zählen die Preise in Luxemburg zu den niedrigsten in Europa (ausgenommen Osteuropa). Das liegt unter anderem daran, dass sie nur wenig besteuert werden. In Deutschland beispielsweise sind die Steuern höher – um die Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern. Wir haben niedrige Preise und wir sind wettbewerbsfähig.
Ist der Strompreis ein Wettbewerbsvorteil in Luxemburg?
Das kann man so sagen. Wir haben einen Vorteil durch niedrige Steuern. Das ist gestaffelt, wie auch in Deutschland: Je mehr man verbraucht, desto mehr sinken die Steuern. Und wir sind in allen Kategorien wettbewerbsfähig.
Warum ist Strom teurer für Privatkunden als für Unternehmen? Ist das nicht ungerecht?
Verglichen mit dem Ausland haben wir mit die niedrigsten Preise. Im Vergleich mit der Kaufkraft sind sie noch niedriger … also billig. Die Preise für die Industrie sind in allen Ländern billiger – um attraktiv zu sein.
Google könnte künftig ein großer Luxemburger Energieverbraucher werden. Stehen Sie in Kontakt mit dem Internetkonzern?
Die haben das Land gekauft. Sie besitzen allerdings mehrere mögliche Standorte in Europa. Aber wann sie wo investieren, ist uns nicht bekannt. Es geht um viele Themen … Versorgungssicherheit, Netzkapazität. Wie müssen die umgebaut werden? Auch für eine jährlich um zwei Prozent wachsende Bevölkerung und für die Elektromobilität. Immerhin verbraucht ein Elektroauto (20.000 Kilometer pro Jahr) so viel Strom wie eine vierköpfige Familie. Schlussendlich wird der Stromverbrauch im Land zulegen – und das trotz allen Einsparungen. Creos beschäftigt sich mit dem Thema der Kapazität. Zudem will Google nur grünen Strom verbrauchen. Auch das ist eine Herausforderung, die vorbereitet werden muss. Ja, wir haben mit Google geredet.
Und die Infrastruktur ist bereit?
Sie könnten gleich morgen beginnen. Es gibt keinen Engpass. In Zukunft (zehn Jahre) muss man aber sehen. Der Verbrauch eines solchen Datenzentrums ist in der finalen Phase wirklich gewaltig. Das wäre mehr als der Verbrauch von ArcelorMittal.
Das Ziel der Regierung lautet: 40.000 Elektroautos bis 2020. Ist hier die Infrastruktur bereit?
Die Netze haben genug Reserven. Zudem sind wir dabei, Hunderte Ladestellen zu installieren – Creos öffentliche und Enovos bei Privatleuten und Firmen. Das Programm läuft. Ob die Zahl von 40.000 aber erreicht wird … das hängt von den Autoherstellern ab. Wenn Preis und Fahrautonomie stimmen, dann werden die Leute Elektroautos kaufen.
Die Zahl von 40.000 wird eine Herausforderung – aber das Netz kann es jedenfalls verkraften. Ein Problem könnte vielleicht entstehen, wenn um 18 Uhr in einer Straße zehn Teslas aufgeladen werden. Aber daher arbeiten wir an den „smart meter.“ Solche lokalen Probleme sind mit Software zu lösen.
Sie verkaufen keinen Atomstrom mehr an Luxemburger Haushalte. Aber warum verkaufen Sie weiter Atomstrom an Firmenkunden?
An Privathaushalte und an den Handel verkaufen wir bereits seit Jahren keinen Atomstrom mehr. Zudem verkaufen wir nicht ausschließlich Atomstrom an Konzerne. Wir kaufen den Strom in Deutschland an der Börse. Und der besteht aus einem Mix, bei dem ein gewisser Anteil von Atomstrom mit drin ist. Es ist einfach der bestehende Mix.
Wir haben keinen einzigen Kunden, der sagt: „Ich will Atomstrom.“ Aber die Alternative wäre grüner Strom. Doch die Konzerne schauen auf die Kosten.
Vor Kurzem hatte eine Solarexpertin in einem Tageblatt-Interview erklärt beim Bau von neuen Anlagen wären die Erneuerbaren am kostengünstigsten …
Ja, bei neuen Anlagen ist das heute so. Und Atomstrom ist teuer. Aber es gibt viele alte Zentralen, die bereits abgeschrieben sind. Und auch bei den Erneuerbaren wurde mit viel zu hohen Kosten gebaut. Noch bis vor etwa fünf Jahren. Seitdem fallen die Kosten. Heute ist die Herstellung von Atomstrom teurer als die mit Wind oder Sonne.
Könnte oder sollte die Luxemburger Regierung Strom aus Kohle oder Atomkraft mit einer Sondersteuer belegen – um sie weniger attraktiv zu machen?
Heute sind neue Erneuerbare-Anlagen bereits günstiger als klassische Zentralen. Diese Entwicklung wird noch weitergehen. Kohle und Atomstrom werden mit der Zeit verschwinden. Daher wäre eine Steuer der falsche Weg. Es wäre nur schlecht für den Standort. Es würde Luxemburg weniger wettbewerbsfähig machen.
Und mit dem Rifkin-Prozess hat die Regierung ein wichtiges Signal gesetzt. Sie wollen das Erneuerbare-Potenzial weiter ausschöpfen. Daher die rezenten Fotovoltaik-Ausschreibungen. Wind und Solar werden ausgebaut.
Das ist der richtige Weg, glaube ich.
Warum produzieren wir in Luxemburg so wenig Strom selber?
Historisch gesehen: Luxemburg wollte keinen Atomstrom. Kohle war nie ein Thema. In den 90er Jahren hatten wir Twinerg aufgebaut, um eine lokale Produktion zu haben. Später hatten die Probleme wie alle anderen Gaswerke. Dann kam die Entscheidung für die erneuerbaren Energien.
Warum geht der Wandel hin zur grünen Energie so langsam? Haben Regierungen zu spät gehandelt?
Es war richtig, nicht die Ersten zu sein. Anfangs waren die Preise hoch. In Deutschland zahlen die Leute heute mehr Steuern für die Finanzierung von alten Solarwerken. Heute ist die Lage jedoch eine andere. Abwarten war also richtig. Heute sind die Preise wettbewerbsfähig.
Nun haben wir allerdings Nachholbedarf. Wir müssen viel investieren. Bei der Windenergie ist bereits viel passiert: Bei unserer Tochtergesellschaft Soler sind noch 100 MW in der Pipeline. Das ist eine Verdopplung der bestehenden Kapazität. Und auch in der Fotovoltaik wird bald der Bau von großen Anlagen gesetzlich möglich sein.
Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung des Konzerns seit der Fusion?
Die Gruppe ist solide aufgestellt. Sie hat sich in den letzten Jahren gut geschlagen. Insgesamt bin ich zufrieden. Sie hat einen guten Ruf bei den Kunden und passende Produkte. Das wird aber noch weiter ausgebaut. Und wir müssen noch digitaler werden. Aber wir sind vorbereitet. Wir sind aktiv in Deutschland und Frankreich – es ist möglich, weiter zu wachsen. Soteg und Cegedel waren vor allem in Luxemburg tätig. Wir sind wettbewerbsfähig.
Und wir haben viel gemacht für unsere Mitarbeiter. Etwa die neuen Gebäude in Esch und Roost. Wir haben einen niedrigen Turnover. Und wenn die Mitarbeiter zufrieden sind, dann ist auch der Chef zufrieden.
Wie steht es um die Versorgungssicherheit in Luxemburg? Und wie groß ist das Risiko von größeren Stromausfällen?
Die Zahl der Strompannen in Luxemburg ist sehr niedrig. Es ist also insgesamt ein sicheres Netz. Wir sind jedoch keine Insel. Wir sind vernetzt mit Deutschland, Belgien und indirekt Frankreich. Das erhöht die Versorgungssicherheit – einer kann dem anderen aushelfen, aber auch Pannen übertragen. Große Strompannen in der EU kommen jedoch relativ selten vor. Wir haben also eine hohe Versorgungssicherheit in Luxemburg.
Im September dieses Jahres gehen Sie in Rente. Was sind Ihre Pläne?
Ich werde sie genießen. Aber auch versuchen, noch ein paar Jahre aktiv zu bleiben, etwa in Verwaltungsräten oder als selbständiger Berater für den Übergang. Die Entscheidung habe ich bereits vor zwei Jahren getroffen.
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