„Wir brauchen eine solide Gesetzgebung“

„Wir brauchen eine solide Gesetzgebung“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

LUXEMBURG - Die Arbeitsbedingungen und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit standen im Mittelpunkt einer Konferenz von Dr. Carlo Steffes, Leiter der Abteilung "Santé du travail" im Gesundheitsministerium. Die Situation stünde nicht zum Besten.

Die „Mobbing asbl“ untersuchte im vorigen Jahr 114 Mobbingfälle, eingegangen waren mehr als tausend Klagen. Mobbing habe neben der gesundheitlichen Konsequenz für die Betroffenen auch eine finanzielle Folge: 5.000 Euro koste ein Mobbingfall den Arbeitgeber pro Jahr. Ein Grund mehr, das Problem nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Legalen Schutz gibt es für die Arbeitnehmer wenig. Gleich zu Beginn seiner Konferenz, welche von der „Kommunistischen Partei Luxemburgs“ organisiert wurde, ging Steffes auf den legalen Aspekt der Problematik ein. Lediglich im öffentlichen Dienst gebe es ein großherzogliches Reglement, das die Beamten vor Mobbing schützt. Im Privatbereich gibt es vier Firmen in Luxemburg, die eine betriebsinterne Charta haben. Diese Firmen zählen zu den größten Arbeitgebern in Luxemburg. Es sind dies jedoch – den Zahlen zufolge – diejenigen, die es am wenigsten nötig hätten: Mobbing kommt am häufigsten in kleinen Firmen, mit weniger als 50 Angestellten vor.

Mobbing-Strategien

Von Mobbing spricht man, wenn das Opfer systematisch und mindestens einmal pro Woche über eine Zeitraum von sechs Monaten „misshandelt“ wird. Die Methoden des Mobbings beinhalten das Verbreiten von Gerüchten, das Ausgrenzen eines Kollegen, Sabotage der Arbeit, das Herabsetzen der Leistung, Beeinträchtigungen des Privatlebens und der Gesundheit. Das extremste Stadium ist die physische Gewalt. Die in Luxemburg am häufigsten angewandten Methoden sind mit 40 Prozent Kritik und die Ausgrenzung des Kollegen.

Gemobbt werden die Sonderlinge, die Einzelgänger, die Schwachen, aber auch die, welche schnell befördert werden. Der Täter sucht dabei einen persönlichen Vorteil, kann aber auch als Rache handeln. So ist es nicht selten der Fall, dass das Mobben die Folge einer sexuellen Belästigung ist, die nicht gefruchtet hat. Damit Mobbing erfolgreich ist, muss es eine Gruppe geben, welche die Vorgänge stillschweigend duldet.

Das „Peter-Prinzip“ stehe auch häufig am Beginn einer „Mobber-Karriere“. Jemand ist erfolgreich in seiner Stellung und wird befördert, so lange, bis er in eine Position kommt, der er nicht mehr gewachsen ist. In einer solchen Situation kann Frust entstehen, der wiederum sich im Mobben von Kollegen ein Ventil verschafft. Mobbing kann sogar zum Selbstmord führen. In Luxemburg gibt es offiziell etwa 80 Selbstmorde pro Jahr; die Dunkelziffer dürfte doppelt so hoch sein. 10 Prozent davon könnten auf Mobbing zurückzuführen sein.

Wunschdenken

Es ist aber nicht die einzige Ursache. Im Extremfall können Stress und schlechte Arbeitsbedingungen zum gleichen Resultat führen. Im Prinzip schreibt das Gesetz dem Arbeitgeber vor, alles zu unternehmen, um seine Beschäftigten zu schützen. So müsste jeder Betrieb eigentlich eine Liste mit den gefährlichen Arbeiten führen und den Angestellten, die sie ausführen. Im Prinzip, denn in der Praxis ist die Forderung Wunschdenken. Mit der Strategie „2007-2012“ gab sich die EU-Kommission das Ziel, die Zahl der Arbeitsunfälle um 25 Prozent zu senken, ein Ziel, das nicht erreicht wurde.

Mehr noch: Hierzulande wurden die kleinen und mittleren Unternehmen im Rahmen der administrativen Vereinfachung von der Pflicht befreit, die oben genanten Listen zu führen. Und dabei sei es gerade in den kleinen Betrieben, wo es mit der Sicherheit hapere und die meisten Arbeitsunfälle passieren. 82 Prozent aller Arbeitsunfälle – und 90 Prozent aller tödlichen – passieren in Klein-und Mittelbetrieben.

Schlechte Arbeitsbedingungen können krank machen. In Luxemburg seien aber nur 61 von 100.000 Versicherten als Berufskranke anerkannt, eine sehr niedrige Zahl. Warum dies so ist, sei einfach zu erklären. Bei einem Antrag auf Berufskrankheit muss man seinen Arbeitsplatz aufgeben, wozu nicht jeder bereit ist. Die Anerkennungsrate einer Berufskrankheit liege bei nur 24 Prozent.

Karoshi

Einen Teil der Konferenz widmete Steffes dem Phänomen des Stresses, der im Extremfall auch zum Tode führen kann. „Zeit ist Geld“: Diese Anforderung kann Beschäftigte zur totalen Erschöpfung treiben. Die Folge: Karoshi. Das japanische Wort bedeutet „Tod durch Überarbeiten“, verursacht durch Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Zur Stressbekämpfung habe es konkrete Vorschläge des „Conseil économique et social“ gegeben. Leider seien die Gewerkschaften einverstanden gewesen, nichts zu unternehmen. Auch die EU-Kommission hat beschlossen, bis 2012 nichts in diesem Bereich zu tun; sie setze auf Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Dass diese nichts bringe, habe man gesehen. Deshalb brauche man eine solide Gesetzgebung.