/ Windhunde: „Wir waren sofort hin und weg“

Ben Hoscheit,
Luc Laboulle (Text)
Sechs Hunde wohnen zurzeit in dem kleinen Reihenhaus von Michèle Feil und Fränz Kieffer. Vier davon sind Galgos. Hinzu kommen ein Schäferhund und ein Terrier, drei Katzen sowie mindestens ein halbes Dutzend Leguane in einem Terrarium. „Alles recycelt“, scherzt Fränz, „wir kümmern uns um die, die niemand mehr haben will.“
Dabei wohnt die „Großfamilie“ weder gleich am Waldrand noch haben sie eine riesige Wiese hinterm Haus, wo die Hunde herumrennen können. Die Galgos tummeln sich auf dem großen Sofa, sonnen sich auf dem kleinen Balkon oder streunen in Wohnzimmer und Küche herum. „Die Hunde sind relativ anspruchslos und pflegeleicht. Verglichen mit ihren Lebensbedingungen in Spanien ist das hier das reinste Paradies“, meint Michèle.
Trotzdem brauchen die Windhunde Auslauf. Deshalb gehen Fränz und Michèle mindestens zweimal am Tag mit ihnen in das ehemalige Tagebaugebiet rund um die „Léiffrächen“, wo sich die schnellen Galgos eine Stunde lang so richtig austoben können. Wenn Mango, Isabelle und Alexa mal so richtig in Fahrt sind, können sie bis zu 60 km/h schnell laufen.
Galgos gelten allgemein als sehr soziale, ruhige und zurückhaltende Tiere. Aggressionen sind ihnen fremd. Deshalb machen Fränz und Michèle sich auch keine Gedanken, dass sie ausreißen oder andere Spaziergänger belästigen könnten. „Aufregend wird es nur, wenn wir mal einem Hasen begegnen. Dann rennen einige sofort hinterher und manchmal dauert es eine Weile, bis wir sie wiedersehen“, erklärt Fränz. Für den Fall hat sie eine spezielle Hundepfeife, auf die die Hunde sofort reagieren.
Begonnen hat ihre Leidenschaft für Galgos vor mehr als zwei Jahren. Bei einem Spaziergang auf der „Léiffrächen“ begegnete Fränz der Tierschützerin Cynthia Reuter von der Vereinigung Windhunde in Not. Diese war gerade mit ihren sechs „Greyhounds“ unterwegs. Die beiden Frauen kamen ins Gespräch und lernten sich kennen. Fränz nahm einen Galgo in Pflege, nach nur zwei Tagen beschlossen sie und Michèle, den Hund zu behalten. „Wir waren sofort hin und weg“, erzählt Michèle. Der Rest ist Geschichte.
Zusammen mit Martine van Wissen, einer weiteren Galgo-Liebhaberin, schufen sie im November 2008 ein Internetforum, ein halbes Jahr später ging ihre Internetseite online und vor drei Monaten gründeten sie schließlich den Verein „Galgo-Lovers asbl.“, der schon jetzt 43 Mitglieder zählt.
Misshandlungen
Das Anliegen des Vereins ist es, ausgesetzte Galgos sowie Hunde anderer Rassen wie Ratonero, Pointer oder Podenco und auch Mischlinge vor Misshandlungen und einer oftmals brutalen Tötung in Spanien zu retten und nach Luxemburg zu bringen.
Mittlerweile arbeiten die drei Frauen mit rund einem halben Dutzend Pflegestellen zusammen. Pflegestellen sind meist private Haushalte, die die Neuankömmlinge für mindestens zwei Wochen aufnehmen. Dort werden die oft ängstlichen, müden und unterernährten Hunde erst einmal aufgebaut und betreut. Anschließend testet der Pfleger ihr Verhalten, um sie dann an neue Halter weiterzuvermitteln. Dabei achten Michèle, Fränz und Martine besonders darauf, dass die Hunde und ihre neuen Besitzer auch charakterlich zueinander passen.
„Manchmal kommt es vor, dass die Pflegestation zur Familie wird, wenn der Hund einem gleich ans Herz wächst“, erzählt Martine und lächelt verschmitzt. Sie weiß, wovon sie spricht, denn bei ihrem Galgo Isabelle ist genau dies passiert.
Die Hunde werden ihnen meist von privaten Anlaufstellen vor Ort vermittelt. Mit der Luxair oder Air Berlin kommen sie dann über Frankfurt, Düsseldorf, Köln oder den Flughafen Findel nach Luxemburg. Oft müssen die Hunde zuerst vom Tierarzt gechipt, geimpft, untersucht und gegebenenfalls kastriert bzw. sterilisiert werden, anschließend kommen sie zur Pflegestelle.
Drei bis vier Mal pro Jahr reisen Michèle und Fränz selbst nach Spanien. In Andalusien und in der Region Murcia pflegen sie ihre Kontakte, die ihnen bei der Vermittlung der Hunde helfen. Neben privaten Auffangstationen gehören auch die Perreras dazu. Perreras sind Tötungsstationen, wo Tierfänger und engagierte Bürger „aufgelesene“ Hunde hinbringen können. Wenn innerhalb von zehn bis 20 Tagen niemand sich für sie interessiert, werden die Hunde dann auf fachgerechte Art und Weise getötet.
Perreras
„Perreras gibt es praktisch in jeder Stadt in Spanien“, sagt Michèle. „Die Perrera ’Gesser’ in Jerez zum Beispiel ist privat geführt. Für jeden Hund, der von der Straße verschwindet, kassieren die Betreiber aber eine staatliche Prämie. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Hund nachher tot ist oder nicht. Ein Bürger, der einen Hund dort abgibt, zahlt 20 Euro für das Einschläfern und weitere 20 für die Einäscherung. Die Preise variieren aber je nach Gewicht des Hundes und je nach Station. Man kann die Hunde auch aus den Perreras herauskaufen. Das kostet in Jerez dann 74 Euro. Nicht zuletzt deshalb sind die Betreiber der Perreras an Geschäften mit uns interessiert.“ Auf diese Weise gelangen jedes Jahr Hunderte Galgos und andere Jagdhunde aus Spanien nach Zentraleuropa. Und eben auch nach Rümelingen.
Alleine in diesem Jahr haben die Galgo-Lovers schon 30 Hunde in die Großregion vermittelt, weitere 13 sind bereits in Bestellung. Für die Vermittlung der Hunde verlangt der Verein eine sogenannte Schutzgebühr: 200 Euro für unkastrierte und 300 Euro für kastrierte Hunde. „Der Preis deckt nicht einmal unsere Unkosten für Arztrechnungen, Futter und Kastration. Unsere Ausgaben bezahlen wir vorwiegend mit Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen“, erklärt Michèle.
Und die Mitgliederzahl des Vereins steigt rasant. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Galgo-Lovers den Kontakt zu den neuen Besitzern aufrechterhalten und regelmäßig Treffen auf einer großen Wiese in Niederdonven organisieren.
„Mittlerweile hat sich das Treffen zu einem richtig großen Fest entwickelt, bei dem alle möglichen Hundeliebhaber auftauchen“, sagt Fränz. Wegen ihres beschwichtigenden Verhaltens üben Galgos insbesondere auf aggressive Hunde einen positiven Einfluss aus.
Doch nicht nur bei Hundeliebhabern sind Fränz, Michèle, Martine und ihre Rasselbande beliebt. Wie Fränz uns erzählt, sind auch ihre Nachbarn in Rümelingen bereits im Galgo-Fieber: „Das Mädchen von nebenan macht Halsbänder für unsere Hunde, eine andere näht Kissen und Decken. Die Leute sind wirklich von ihrem gutmütigen Wesen begeistert.“
INFOKONTAKT
o Um die Lebensbedingungen der Not leidenden Tiere in Spanien, insbesondere in Andalusien, zu verbessern und das unkontrollierte Vermehren der Hunde zu unterbinden, unterstützen die „Galgo-Lovers“ Kastrations- und Sterilisierungskampagnen von lokalen Tierschutzvereinigungen. Zudem arbeiten sie mit Luxemburger Tierärzten zusammen, die die Kastrationen bzw. Sterilisierungen in Spanien durchführen.
o Kontakt
Galgo-Lovers asbl.
7, rue St-Sébastien
L-3752 Rümelingen
Tel.: 661 630 054 (Fränz),
621 728 261 (Martine),
661 265 395 (Michèle)
info@galgo-lovers.org
www.galgo-lovers.org
o SpendenkontoLU55 0021 1919 0776 6200 (BILL LU LL)
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