Wie sich Kirchberg entwickelt hat

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Tageblatt-Chefredakteur Dhiraj Sabharwal blickt zurück auf die Historie des Kirchbergs – der längst nicht mehr nur nüchtern-graue Gebäude aufzuweisen hat, sondern auch viele kreative Konstruktionen.

Der Kirchberg und Architektur – das klingt für viele eher befremdlich. Doch auch das europäische Institutions- und Bankenbollwerk hebt sich nicht nur durch graue Gebäude, sondern auch durch kreative Konstruktionen hervor.

Von Dhiraj Sabharwal

Im Ausland genießt Kirchberg einen sehr gemischten Ruf: Mit Blick auf die EU-Institutionen wird schnell daraus das Luxemburger „Brüssel“, der Bankenstandort wiederum zum Synonym für fragwürdige Machenschaften.

Gleichzeitig wird Kirchberg aber als Tourismusattraktion vermarktet und auch so wahrgenommen. Denn kaum ein Luxemburg-Besucher kommt an einem Besuch auf Kirchberg vorbei. Und tatsächlich zeigt sich bereits beim historischen Blick auf die Entwicklung von Kirchberg, dass sich Luxemburgs Aushängeschild der Internationalität auch architektonisch entwickelt hat.

In den frühen 1950er Jahren war das Plateau Kirchberg nicht mehr als ein Ackerbaugebiet. Vom heutigen Glanz oder der institutionellen Präsenz zeigt sich beim Blick ins Archiv herzlich wenig. Dass Kirchberg als Plateau bezeichnet wird, hat mit seiner spezifischen Topografie zu tun. Das Stadtzentrum und Kirchberg sind durch eine natürliche Grenze aus tiefen Tälern voneinander getrennt.

Nicht erst die Banken verliehen den Glanz

Lange vor dem Glanz der Finanzinstitute war es vor allem das politische Europa, das Kirchberg seinen Glanz verleihen sollte. Luxemburg wurde 1952 zum Sitz der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch: CECA). Sie war eine der Vorläuferinstitutionen der EU. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass der Hauptsitz des Stahlriesen ArcelorMittal heute direkt neben dem „European Convention Center Luxembourg“ (ECCL) gebaut werden soll. Genau dort treffen sich in regelmäßigen Abständen die Minister der EU-28, wenn sie nicht in Brüssel tagen, und diskutieren unter anderem etwa über Fragen wie Chinas Stahldumping, das europäischen Playern zusetzt.

Auch wenn der Vergleich aus einer Vielzahl von Faktoren doch arg hinkt: das ECCL wird als Luxemburger Variante des Brüsseler Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission, wahrgenommen. Allerdings ist die EU-Kommission ihrerseits wiederum ebenfalls mit Gebäuden in Luxemburg vertreten und das ECCL eine private Einrichtung, die von den europäischen Institutionen, aber auch anderen Akteuren genutzt wird. Es ist demnach nicht im Besitz der EU-Kommission.

Die Präsenz von ArcelorMittal neben dem ECCL hat dennoch eine zumindest leicht fragwürdige Symbolik. Bereits in Brüssel hat sich das Viertel um das Berlaymont zu einer Landschaft des Lobbyismus-Wildwuchses entwickelt. Dass in Luxemburg nun ein Privatkonzern in vollem Glanze und, rein architektonisch betrachtet, der viel größere direkte Nachbar des ECCL sein wird, lässt einen doch zumindest die Stirn in Falten legen.

Der Staat schafft planerische Fakten

Doch zurück zum historischen Anfang von Kirchberg. Im Zuge der Niederlassung europäischer Institutionen stellte der Luxemburger Staat im historischen Stadtkern und im Bahnhofsviertel Büroräume zur Verfügung. Doch bald sollte dies nicht mehr ausreichen.

Und genau diese wurde zum historischen Wendepunkt für das Plateau Kirchberg. Der Luxemburger Staat kaufte die 365 Hektar Land und schuf die gesetzliche Rahmenbedingung für die Schaffung des „Fonds d’urbanisation et d’aménagement du Plateau de Kirchberg“ (auch: „Fonds Kirchberg“). Es handelt sich um jene Institution, die mit der Urbanisierung des dritten und jüngsten Teils der Hauptstadt beauftragt wurde.

Blickt man auf die anfängliche Stadtplanung des Plateau Kirchberg fällt einem nur ein Wort ein: Funktionalität. Eine Schnellstraße und zwei Verteiler sollten eine effiziente Mobilität ermöglichen, um die neuen Gebäude der europäischen Institutionen zu erreichen, die bis heute im Westen des Plateaus angesiedelt sind.

Gut genug für Olympia

Im Osten entstanden die Messehallen der „Foire internationale“, die heute als „Luxexpo“ bekannt sind, und ein Wohngebiet. Im Zentrum wurde wiederum ein neues Schwimmbad gebaut, das den olympischen Normen entsprechen sollte.

Es folgten die Stahlkrise und ein tiefgreifender Wandel der luxemburgischen Wirtschaft. Das Großherzogtum mauserte sich langsam, aber sicher zum Dienstleistungsanbieter. Anfang der neunziger Jahre ließen sich die ersten Banken auf Kirchberg nieder.

Im Gegensatz zu den EU-Institutionen bauten die Finanzinstitute ihre Gebäude nicht im westlichen, sondern im östlichen Teil des Kirchberg-Plateaus. Dass sich die Banken dort niederließen, hatte Gedankenspiele des Fonds Kirchberg zur Folge, eine dichtere Bebauung voranzutreiben.

Der Kirchberg wird zur „ganz normalen“ Stadt

Es folgten Studien, die unter anderem die Städteplaner Jochem Jourdan und Ricardo Bofill zu verantworten hatten. 1985 wurde eine dritte Studie in Auftrag gegeben, die Kirchberg neu strukturieren sollte. Die Luxemburger Architekten Christian Bauer, Isabelle Van Driessche und Félix Thyes wurden mit der Ausarbeitung der Studie beauftragt.

Es folgte ein durchaus komplexer Prozess, der dazu führte, dass der Fonds Kirchberg 1991 die Neuausrichtung des Plateaus beschloss und umsetzte. Die damit zusammenhängenden Veränderungen leiteten die Urbanisierung von Kirchberg ein.

Heute sind die Gebäude in Blocks organisiert und im Zusammenspiel mit den Wohnvierteln nicht besonders außergewöhnlich. Es handelt sich vielmehr um ein klassisches Stadtbild mit Wohnraum, Büroräumen, kulturellen Institutionen und ein wenig Grünfläche.