Wenn Grenzgänger Pflege brauchen

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In Lothringen machen sich Politiker Sorgen um die Pflege von Grenzgängern, die in Luxemburg gearbeitet haben. „Wer zahlt im Pflegefall?“, heißt die Frage.

In Luxemburg arbeiten derzeit 76.000 Grenzgänger aus Lothringen. Sie zahlen mit ihren Sozialgebühren Beiträge in die luxemburgische Pflegeversicherung ein, erhalten aber keine Leistungen, wenn sie in Lothringen zum Pflegefall werden. Der Präsident des Départements Moselle, aus dem die meisten lothringischen Grenzgänger kommen, Patrick Weiten, zeigt sich beunruhigt. Er würde in solchen Fällen gerne auf die luxemburgische Pflegeversicherung zurückgreifen, damit die die erbrachten Leistungen bezahlt, darf aber nicht. Départements dürfen im französischen Staatssystem keine eigenständigen Außenbeziehungen unterhalten. „Die luxemburgische Pflegeversicherung hat das Geld angesammelt, kann es deswegen aber dem Département nicht zur Verfügung stellen“, sagt Weiten gegenüber Tageblatt.lu.

Die Summe der Grenzgänger die einen Anspruch erworben haben, könnte über 100.000 alleine für Lothringen liegen. Was längst nicht bedeutet, dass alle zum Pflegefall werden.

Der Hintergrund der Sorgen in Lothringen liegt in der Altersstruktur der Grenzgänger, die in Luxemburg nicht anders ist. Grenzgänger sind Langzeitarbeiter in Luxemburg, sie arbeiten über Jahre im Großherzogtum und altern nun mit der luxemburgischen Gesellschaft. Pflegefälle werden häufiger in dieser Gesellschaft. In Luxemburg rechnet man mit einem Anstieg auf 14.000 Pflegefälle in den kommenden sieben Jahren.

Alternde Bevölkerung

In Lothringen ist die Situation nicht anders. Im Jahre 2009 gab es in Lothringen inclusive der Grenzgänger 967.000 Sozialversicherte. Davon waren 236.000 nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialrates der Region älter als 50 Jahre. Im Jahre 2012 entsendet Lothringen 101.000 Grenzgänger nach Luxemburg, nach Belgien, in das Saarland und nach Rheinland-Pfalz. Nach Luxemburg sind es alleine 76.000 nach lothringischen Angaben. In Lothringen rechnet man damit, dass bis 2020 jährlich 20.000 Menschen in die Rente gehen und ab 2020 diese Zahl noch ansteigen wird. Die Zahl der Pflegefälle dürfte entsprechend steigen.

Das Problem ist ein Doppeltes. Frankreich hat es versäumt, eine spezielle Pflegeversicherung einzurichten und deckt Pflegefälle aus der allgemeinen „sécurité sociale“ ab. Andererseits haben ehemalige Grenzgänger, die mit ihrer luxemburgischen Rente in Lothringen leben, im Pflegefall einen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung, der sich aus der Beitragszahlung ergibt. Der kann aber nicht erfüllt werden, weil es eine Staatsgrenze gibt und das französische Staatssystem die Situation kompliziert.

Patrick Weiten hat mit Ministern der luxemburgischen Regierung dazu geredet. Die Abgeordnete der bürgerlichen Partei UMP, Anne Grommerch, hat Kontakte zur französischen Regierung geknüpft, um das Problem zu diskutieren und zur luxemburgischen Regierung. Anne Grommerch kennt das Problem aus eigener Erfahrung. Sie war Grenzgängerin, war in Luxemburg Marketing Direktorin bei Coca Cola und hat die Arbeit aufgegeben, als sie in die Assemblée Nationale in Paris einzog. Als Fachfrau arbeitet sie an einem Modell. Da nicht nur das Mosel-Département sondern alle Grenz-Départements in Frankreich betroffen sind, kann sie sich vorstellen, dass man eine Lösung über die Sozialversicherungen in den Départements oder über die Départements direkt erarbeitet. Frankreich entsendet Grenzgänger nach Luxemburg, nach Deutschland, in die Schweiz und nach Belgien.

Modellversuch für das Mosel-Département

Grommerch will einen Modellversuch zwischen Luxemburg und Frankreich am Beispiel des Mosel-Départements einrichten. Das Département ist besonders geeignet, weil es nicht nur Grenzgänger nach Luxemburg sondern auch in das Saarland und nach Rheinland Pfalz hat. Es wäre also möglich, sowohl mit Luxemburg als auch mit Deutschland ein Modell zu entwickeln, das übertragbar sein könnte. Grommerch ließ anklingen, dass es Kontakte zu Minister Halsdorf gibt, der für Fragen der Großregion zuständig ist.

Die Summe, um die es zwischen Lothringen und Luxemburg geht, ist nicht gering. Lothringischen Angaben zufolge soll es sich um 50 Millionen Euro handeln, auf die Weiten für die Grenzgänger Pflegefälle gerne zugreifen würde. Es handelt sich dabei nicht nur um Grenzgänger, die derzeit in Luxemburg arbeiten. In Lothringen gibt es Grenzgänger, die bereits Rentner sind oder auch bereits Pflegfälle sind. Hinzu kommt, dass es ehemalige Grenzgänger gibt, die einige Jahre eingezahlt haben und dann nach Lothringen zurückgegangen sind. Die Summe der Grenzgänger die einen Anspruch erworben haben, könnte über 100.000 alleine für Lothringen liegen. Hinzu kommen aber auch die derzeit 39.000 Grenzgänger aus Belgien und die derzeit 39.000 aus Deutschland.

Auch wenn damit zu rechnen ist, dass die Zahl der Pflegefälle insgesamt nur sehr niedrig sein wird, kommen auf die Pflegversicherung aus den Grenzgänger-Ansprüchen möglicherweise erhebliche Belastungen auf Luxemburg zu.

(Helmut Wyrwich/Tageblatt.lu)