Warten auf die Ganztagsschule

Warten auf die Ganztagsschule
(dapd/Archiv)

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LUXEMBURG - 4.935 Kinder besuchen die öffentlichen Grundschulen der Hauptstadt. Am Freitag wurde die Schulorganisation für das Jahr 2014/2015 vorgestellt.

Die Schulorganisation sei für sie immer eine Art großes Examen vor den Ferien, so die zuständige Schöffin Colette Mart (DP). 4.935 Kinder werden nächstes Jahr vermutlich in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.

Zahlen, die mehr oder weniger stabil sind. Allerdings besuchen 34 Prozent der Kinder auf Hauptstadtgebiet eine Privatschule. Eine Herausforderung ist auch die hohe Zahl der frankofonen Kinder (ca. 35 Prozent).

Nicht wirklich eine Nachricht war Marts Meldung, dass der Schöffenrat das Prinzip einer Ganztagsschule ausgearbeitet habe. Darüber wird in der Hauptstadt schon lange diskutiert, aber die Umsetzung dauert, während etwa Esch schon lange seine Ganztagsschule hat. In der Hauptstadt, so hieß es gestern, suche man jetzt noch nach einem geeigneten Standort. Das heißt, die Schule soll in einem Viertel entstehen, wo am Ende beide Modelle – Ganztagsschule und herkömmliche Schule – angeboten werden können.

Ein Ärgernis bleibt auch in diesem Jahr das vor allem unter Schulpersonal viel diskutierte „contingent“, d.h. die Anzahl von Lehr- und Erziehungskräften, die das Ministerium nach einem bestimmten Schlüssel der Hauptstadt zugesteht. Die ist mit dem, was das Ministerium zubilligt zwar chronisch unzufrieden, aber auch unter dem neuen Minister wird sich daran nichts ändern, so Mart.

„Es wird nicht aufgestockt. Weil wir auf das Gesetz nicht einwirken können, müssen wir andere Hebel ansetzen“, so Mart. Sie sprach von größeren Schulgebäuden, wie sie es bereits mehrmals angedeutet hatte, aber auch davon, möglicherweise die Schulsektoren zu überdenken oder auch über das „enseignement en cycles“ nachzudenken, wie etwa in der Michel-Welter-Schule. Vor allem Letzteres war fast schon komisch. Denn das „enseignement en cycles“, d.h. die Zusammenlegung von Jahrgängen, war ja mit der Abschaffung des klassischen ersten bis sechsten Schuljahrs angedacht, weil es so u.a. möglich ist, Kinder nach Entwicklungsstand zu unterrichten und nicht starr nach Jahrgang. Eigentlich ist es Gesetz. In der Praxis ist es aber eher die Ausnahme als die Regel. Und das nicht nur in der Hauptstadt.

Was die Betreuungsstrukturen angeht, so stehen derzeit 377 Kinder auf den Wartelisten für Foyers. Allerdings ist es wieder so, dass all jene Kinder, bei denen niemand zu Hause nach der Schule die Betreuung übernehmen kann, einen Platz bekommen haben, aber offenbar war es in diesem Jahr ziemlich knapp. „Wir hatten Angst, dass das nicht möglich sein würde“, so Mart am Freitag.

Die Betreuung in Foyers von Kindern aus dem „Précoce“ werde dieses Jahr noch nicht möglich sein, aber die Stadt baut ja noch Einrichtungen, so dass Mart der Hoffnung Ausdruck verlieh, im Laufe des Jahres ein entsprechendes Angebot auf die Beine stellen zu können.

Bedenkliche Entwicklung

Nachdenklich stimmen müssen die gestern genannten Zahlen des „Service médical“ zu Fällen und Verdachtsmomenten von Kindesmisshandlung und sexuellem Missbrauch. Im Schuljahr 2010-2011 wurde die „Cellule de conseil“ 37 Mal aktiv. 2011-2012 waren es 57 Fälle und Stand Mai 2014 waren es im laufenden Schuljahr 76 Fälle. 92 Kinder wurden der „Cellule de conseil“ bis zum 22. Mai gemeldet. In den meisten Fällen (25) ging es um körperliche Gewalt, wobei Verletzungen vorhanden waren. In 20 Fällen bestand ein Verdacht auf körperliche Gewalt (ohne vorhandene Verletzungen), in sechs weiteren Fällen gab es zweifelhafte Informationen oder entsprechende Zeichnungen, in elf Fällen bestand Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Dazu kommen u.a. Fälle von sexualisiertem Verhalten von Kindern (4) oder auch der Besitz von pornografischem Material auf ihren Mobiltelefonen (3).

Im Bericht des „Service médical“ wird bei sexuellem Missbrauch (bis hin zur Vergewaltigung) und sexualisiertem Verhalten der Kinder eine „bedenkliche Entwicklung“ festgestellt. Die Zahl der Eingriffe in diesem Bereich habe sich gegenüber dem Vorjahr „quasi verdreifacht“. „Die Probleme nehmen zu“, so Colette Mart, wobei die Urheber nicht nur Erwachsene seien. Das Thema wird mit Sicherheit einer der Hauptpunkte der Diskussion im Gemeinderat am kommenden Freitag sein.