Tourismus Wandern: „Ab ins Grüne“ ist ein Hype 

Tourismus  / Wandern: „Ab ins Grüne“ ist ein Hype 
Große Nachfrage nach Infos über Wanderwege während der Zeit des „Confinement“: Seit Pfingsten steigt nach Angaben des ORT Müllerthal  die Nachfrage von Gästen, die in der Region übernachten und den Mullerthal Trail in Tagesetappen laufen wollen.  Fotos: Editpress/Julien Garroy

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In Zeiten des Lockdowns war die Natur eine der einzigen Freizeit-Alternativen an der frischen Luft. Wandern erlebte dabei einen wahren „Hype“. Während der Ausgehbeschränkungen war die Nachfrage hoch, manche Wege in Luxemburg waren zeitweise sogar zu voll. Diese Beobachtung hat nicht nur das „Office régional du tourisme – région Mullerthal”, kurz ORT Mullerthal, in den letzten zwei Monaten gemacht.

„So vielen Menschen wie in der Zeit der Ausgehbeschränkungen bin ich im Wald noch nicht begegnet“, sagt Romain Buschmann (65) auf dem Parkplatz am Fuß des Schlosses in Burglinster. Von dort starten fünf Wanderwege. Insgesamt gibt es 23 Wege in der Gemeinde Junglinster. Der Präsident der „Fédération luxembourgeoise de marche populaire“, kurz FLMP, ist immer noch erstaunt, obwohl er das kennt. Vor zehn Jahren hat er selbst das Wandern für sich entdeckt und anschließend den Verein „Lënster Trëppler“ gegründet. 

Bis dahin wusste der pensionierte Banker nicht einmal, für was die Abkürzung „IVV“ steht. Die „Internationale Volkssportvereinigung“ ist die Dachorganisation, die weltweit die Freunde des Sports vereinigt. Die luxemburgische FLMP gehört der Organisation an und vereinigt 49 Klubs im ganzen Land unter ihrem Dach mit 4.100 Menschen, die eine Wanderlizenz besitzen. Auf den organisierten „IVV“-Wanderungen gibt es nach 500 Kilometern eine Belohnung.

Zielstrebig steuert Buschmann an diesem Tag den Weg mit der Abkürzung „J10“ an, der bergauf in den Wald führt. Die „promenade Junglinster“ ist ein rund fünf Kilometer langer Rundweg, der am Schloss startet und dort auch endet. Nach der Steigung, die ungeübte Wanderer aus der Puste bringt, verwandelt sich der Weg zum Pfad. Es wird schmaler, naturbelassener und ruhiger. Aussichtspunkte zwischen dem satten Grün wie jener namens „Mouk“ geben den Blick auf Burg und Dorf frei. Dazwischen zwitschern die Vögel, nur vereinzelt sind an diesem Tag andere Wanderer unterwegs.

Nirgendwo sonst so gut abschalten

Als er noch gearbeitet hat, hat der FLMP-Präsident viele Sportarten als Ausgleich probiert. Bogenschießen und Fahrradfahren gehören dazu. „Aber nirgends habe ich so abschalten können wie beim Wandern“, sagt Buschmann. Es geht ihm bis heute so. „Man fährt runter und kommt anschließend auf völlig neue Gedanken“, sagt er. Zweimal die Woche zieht er mit aktivierter Diktierfunktion auf dem Handy los, um die Geistesblitze festzuhalten, und wandert dabei rund 40 Kilometer.

Für das Jahr 2019 hat die FLMP einen „Boom“ festgestellt. 2.200 geführte Wanderungen mit reger Beteiligung: So viele gab es noch nie, wie aus dem „Rapport d’activité“ hervorgeht. Dann kam Corona und gab Anlass zu ernsten Befürchtungen– doch die haben sich nicht bestätigt. Obwohl alle Veranstaltungen abgesagt sind, ist das Interesse am Wandern ungebrochen und hat wahrscheinlich sogar noch zugenommen. Das bestätigt das ORT Müllerthal auf Anfrage des Tageblatt. Nach den teilweisen Lockerungen war die Nachfrage riesig und kam wegen der geschlossenen Grenzen vor allem von Einheimischen.

Ob Wanderweg vor Ort, die mit dem Auto erreichbaren „Auto-pédestres“-Wege, der Fernstreckenweg Mullerthal Trail oder grenzüberschreitende Wanderwege: Auf den 148 beschilderten Wegen in der Region war während des Lockdowns viel los. Teilweise grenzwertig viel. „Unsere ‚Klassiker‘ wie der E1 Echternach – Berdorf, die Wege rund um den Schiessentümpel und die ‚Kallektuffquell‘ waren an einigen Feiertagen im Mai und Juni sogar zu stark frequentiert”, sagt Sandra Bertholet (42), seit 2012 Geschäftsführerin des ORT. „Wir haben daraufhin versucht, den Gästen Alternativen zu nennen und die weniger bekannten Wege in den Vordergrund zu stellen.“

Durchschnittsalter der Mitglieder sinkt 

Nach dem Aussichtspunkt „Mouk“ führt der „J10“ aus dem Wald heraus über das freie Feld. Normalerweise würden hier Schafe der am Weg liegenden „Bergerie“ grasen, aber an diesem heißen Tag ist keins zu sehen. Der Blick auf Wiesen und nahe Wälder entschädigt dafür. Kurz bevor es wieder in Wald geht, kreuzt der „Rennpad“. Der Weg aus gallo-römischer Zeit gehört zur Verbindungsachse zwischen dem Norden und Süden des Landes, die bis ins Alzettetal führt.

„Wandern“, das Wort weckt verschiedenste Assoziationen. Fitte „Silver Agers“, perfekt ausgerüstet und hungrig nach Bewegung, kommen einem da in den Sinn. Für jüngere Individualisten hat es das angestaubte „Geschmäckle“ mit Kaffee und Kuchen danach und einem durchorganisierten Tag. Das ist es auch – und es ist als Ausflug sehr beliebt. Zu den „Marches populaires“ kommen bis zu 1.000 Menschen, die ab 7 Uhr morgens zeitversetzt auf den unterschiedlich langen Strecken starten. Aber nicht nur.

Die Vorzüge der Sportart entdecken mittlerweile auch Jüngere für sich. Das Durchschnittsalter der FLMP-Mitglieder liegt bei 46 Jahren, wie aus dem Geschäftsbericht für 2019 hervorgeht – und die Wanderleidenschaft ist im Land nicht überall gleich. Einige Gemeinden mussten einen zum Teil heftigen Rückgang an Wanderern hinnehmen. Dazu gehören unter anderem Esch mit dem Ellergronn und die hauptstädtischen Wege „Wenzel“ und „Vauban“, wie der Geschäftsbericht ausweist. Düdelingen und Larochette und das Mëllerdall dagegen verzeichneten im Jahr 2019 Zuwächse von 38 bzw. 30 Prozent.

Zukunft des Sports „exzellent“ 

Zurück nach Burglinster: Am Ende bietet der Weg noch eine echte Überraschung. Fast wieder zurück im Dorf, hat ein Hausbesitzer in der rue de Cimetière unweit der Kirche einen Tisch und mehrere Stühle aufgebaut. Unmissverständliche Schilder laden die Ankömmlinge nach dem Abstieg aus dem Wald dazu ein, sich zu setzen und eine Pause zu machen. Es ist der richtige Ort, um über die Zukunft der FLMP nachzudenken, die im nächsten Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert.

Die „Fédération“ will sich vermehrt für jüngere Wanderer öffnen und denkt über Wege hierfür nach. „Das ist nicht so einfach“, sagt Präsident Buschmann. Zwar erfreuen sich die geführten Wanderungen mit über 70.000 Teilnehmern insgesamt pro Jahr großer Beliebtheit, aber die Klientel ist 60 plus. Ein paar erst vor kurzem gesäte Pflänzchen wie der „Juppi Walk“ oder die App, die die Zahl der gelaufenen Kilometer misst, tragen Früchte und bringen neue Interessierte. Angesichts dieses Zuspruchs ist Buschmann optimistisch, was die Zukunft des Sports angeht. „Exzellent“ ist seine Antwort auf die Frage darauf.

Wichtige Seiten

www.flmp.lu; www.mullerthal-trail.lu; www.movewecarry.lu