Von Nischen und Herausforderungen

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Im Jahr 1948 schlossen sich die Obermosel-Zeitung und d’Unio’n zum Lëtzebuerger Journal zusammen. Am Montag feiert die Zeitung mit einem Festakt in Anwesenheit des großherzoglichen Paares im Hotel „Le Royal“ ihren 70. Geburtstag. Einen Rückblick auf 70 Jahre Lëtzebuerger Journal sowie einen Ausblick auf die Zukunft gab Direktor und Chefredakteur Claude Karger im Interview mit dem Tageblatt.

Lëtzebuerger Journal

Das Lëtzebuerger Journal erschien erstmals am 5. April 1948 (siehe Foto) als Produkt der Fusion der Obermosel-Zeitung und der d’Unio’n. In den Krisenzeiten Mitte der 1960er Jahre erschien die den liberalen Kreisen nahe stehende Zeitung zeitweise nicht.
2012 wurde ein Meilenstein erreicht, als die Zeitung eine Partnerschaft mit der Editpress-Gruppe, die u.a. Herausgeber des Tageblatt ist, einging. Seitdem erscheint das Lëtzebuerger Journal sechsmal die Woche in einer Auflage von rund 5.000 Exemplaren täglich.
Chefredakteur (seit 2005) und Direktor (seit 2014) ist der 45-jährige Claude Karger, der 1996 – nach seinem Journalismus-Studium in Paris und diversen Korrespondenten-Tätigkeiten in Frankreichs Hauptstadt – als Wirtschaftsredakteur im Journal anfing.
Momentan arbeiten 17 Personen in der redaktion des Journal, darunter 13 Journalisten.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Wie fühlt man sich mit 70, Claude Karger?

Claude Karger: Ich fühle mich ab und zu tatsächlich wie 70, obwohl ich noch lange nicht so alt bin (lacht). Nein, im Ernst: Der 70. Geburtstag weist auf eine lange journalistische Tradition hin. Das Lëtzebuerger Journal ist zwar ein kleiner „Akteur“ auf dem Luxemburger Medienmarkt, war aber stets ein fester Bestandteil der Meinungsvielfalt in Luxemburg.

Wie schwierig ist und war es, als vergleichsweise kleine Zeitung am Markt zu bestehen?

Es war nie einfach und ist es auch heute nicht. Es hat immer ein wenig an Mitteln gefehlt, um weiter zu wachsen. Kritisch wurde es in den 1960er Jahren. Und heute ist die rasante Digitalisierung die große Herausforderung. Um dem gerecht zu werden, muss investiert werden. Vom journalistischen Standpunkt her ist es ebenfalls eine Herausforderung. Wir wollen in die Tiefe gehen, was sich nicht nur im „Thema des Tages“ widerspiegelt. Mit einer Mannschaft von 13 Journalisten ist das ein richtiger „Challenge“.

Auffallend ist die grafische Umsetzung der Themen.

Ja, wir haben drei exzellente Grafiker in der Redaktion. Inzwischen ist die grafische Umsetzung der Themen auch bei den schreibenden Journalisten stets im Hinterkopf, also zu einer Art Reflex geworden.

Das Lëtzebuerger Journal stellte sich vor fünf Jahren komplett neu auf. Die Zeitung erschien fortan sechs- statt fünfmal die Woche, eine Partnerschaft mit der Editpress-Gruppe (Herausgeber u.a. des Tageblatt) wurde eingegangen. Wie fällt die Bilanz fünf Jahre später aus?

Ziel war es, uns im Markt zu konsolidieren und dabei den Lesern Alleinstellungsmerkmale zu bieten. Wir wollten unsere Leserbasis stärken. Das ist uns zum Teil gelungen, vor allem auf der Ebene der Abonnenten. Aber wie alle Zeitungen haben wir mit dem Phänomen des Leserschwunds zu kämpfen. Daher muss man sich als Zeitung ständig neu erfinden. Wobei es eine echte Herausforderung ist, an die jungen Leser heranzukommen.

Wie kommt man Ihrer Meinung nach am besten an sie ran?

Indem man mit ihnen zusammenarbeitet, sie für Projekte mit ins Boot nimmt. Da merkt man dann schnell den Multiplikatoreffekt. Punktuell klappt das ganz gut, nur die Jungen auf Dauer zu halten, ist ein extrem schwieriger Arbeitsprozess.

Sie sprachen von der Krise in den 1960er Jahren. Was waren die weiteren markanten Daten in der Geschichte des Lëtzebuerger Journal?

Da ist zunächst einmal die Gründung. Eine schwierige Fusion zweier grundverschiedener Zeitungen. Die Obermosel-Zeitung für den Raum Grevenmacher war damals eher Boulevard, dagegen d’Unio’n ein früheres Resistenzlerorgan und damals Zeitung des „Groupement patriotique et démocratique“, der Vorläuferorganisation der DP.
In den 1960er und 1970er Jahren kam dann die Krise, nicht nur im Journal. Eine Zeit lang kam die Zeitung nicht heraus, dann wurde ein neuer Anlauf genommen. Zu dieser Zeit wurde in Luxemburg die Pressehilfe eingeführt, um den Presse-Pluralismus zu wahren. Wäre das nicht geschehen, dann würden wir heute keinen 70. Geburtstag feiern.
Ein weiteres markantes Jahr war natürlich 2012, als wir uns mit einem völligen Relaunch breiter aufgestellt haben. Das war eine schwierige Zeit. Die Redaktion arbeitete wochenlang parallel an der „alten“ und an der „neuen“ Zeitung.

Fünf Jahre später betrachtet, war der Relaunch eine richtige Entscheidung?

Ja, natürlich. Aber es sind in den fünf Jahren neue Herausforderungen hinzugekommen. Das Umfeld hat sich verändert, genau wie die Art und Weise, wie in den Redaktionen gearbeitet wird.

Mit dem Umfeld meinen Sie den Leser- und Anzeigen-Rückgang im Print und die zunehmende Bedeutung des digitalen Journalismus. Wie trägt das Journal dem Rechnung?

Wir müssen mehr investieren, um andere Formate im Multi- und Crossmedia-Bereich anbieten zu können. Und wir wollen attraktive Konzepte entwickeln, um neue Leser und Anzeigenkunden im Web anzulocken.

Die Konkurrenz hierzulande setzt im digitalen Bereich ganz beträchtliche Mittel ein. Hat das Lëtzebuerger Journal online überhaupt eine Chance, mitzuhalten?

Die Formate, die das Journal in der gedruckten Ausgabe auszeichnen und abheben, haben auch online ihre Berechtigung. Nur müssen sie anders, also online-gerecht aufgearbeitet werden. Als Journal müssen wir immer die richtige Nische finden. Und wenn das mit Innovation verbunden wird, dann haben wir durchaus unseren Platz im Web.

Über die markanten Daten haben wir gesprochen, wer aber waren die markanten Persönlichkeiten in 70 Jahren Lëtzebuerger Journal?

Zunächst einmal die Leute, die das Journal vor 70 Jahren auf die Schienen gesetzt haben. Ich denke da zum Beispiel an Lucien Dury (erster DP-Parteipräsident, d. Red.) oder den langjährigen Direktor und Chefredakteur Jos Anen. Und natürlich Rob Roemen, der dem Journal 30 Jahre lang seinen Stempel aufdrückte, genau wie Direktor Robert Wiget. Und dann die vielen Journalisten, die mit ihrer Schreibe glänzten. Henri Koch-Kent, oder um rezentere Beispiele zu nennen: Auch Robert Goebbels und Guy Binsfeld waren als Journalisten für das Journal aktiv. Noch rezenter der Kollege Nic. Dicken, eine Institution des Luxemburger Wirtschaftsjournalismus oder aber Pascal Steinwachs.

Mit Steinwachs lösen Sie sich in der satirischen Rubrik „Opgepickt“ ab. Wie sind die Reaktionen auf die zumeist sehr bissigen Glossen?

Sagen wir mal so: Die Reaktion der Politiker bestätigt uns, dass „Opgepickt“ sehr intensiv gelesen wird. Es ist nicht immer einfach, das richtige Thema dafür zu finden. Das gilt aber für die gesamte Meinungsseite. Doch die Mühe lohnt sich, schließlich ist das Lëtzebuerger Journal für seine starke Meinung bekannt.

Hat sich die Berichterstattung im Journal geändert, als die DP 2013 an die Macht kam? Und um die Frage weiter zu spinnen, wird sie sich im Oktober 2018 ändern?

Nein, es macht keinen Unterschied in der journalistischen Vorgehensweise des Journal, wer an der Macht ist. Auch nicht die DP.