Von Amazonen, Harteiern und Kaltduschern

Von Amazonen, Harteiern und Kaltduschern
(Tageblatt/Didier Sylvestre)

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DIFFERDINGEN – Der StrongmanRun, der bereits im vergangenen Jahr für Furore gesorgt hatte, brachte bei der diesjährigen Auflage 3.000 Sportler (etwas weniger als 2013) an den Start.

Bei fast sommerlichen Temperaturen und herrlich blauem Himmel. Schade drum, denn richtig macht eigentlich nur Regen und Kälte Spass.

„Die Welt ist Party, und alle Fraun und Männer blosse Spieler“, könnte man leicht umgewandelt aus Shakespeares „Wie es euch gefällt“ zitieren, wenn man die Akteure etwas genauer beobachtet. Die einen, die diese Veranstaltung als sportlichen Wettbewerb ansehen, haben bereits vor mehreren Monaten das Training aufgenommen. Sie präsentieren sich bei ihrem Weg zur Startlinie mit ernster Miene im Sportdress, stretchen und biegen sich beim Aufwärmen was das Zeug hält und können den Beginn des Rennens kaum erwarten.

Für diese Art Teilnehmer ist der „Strongman“ eine sportliche Herausforderung, das Mass aller Dinge kurzum. Der Triathlon-Ironman in Hawai? Peanuts, Kindergeburtstag, meint einer der Hartgesottenen ironisch uns gegenüber. Der StrongmanRun, der seit 2007 in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz stattfindet, ist das Event für jede Menge Machos, Masos, Amazonen, Harteier und Kaltduscher, bei denen man nicht so richtig weiss, wo die Grenze zwischen der Überwindung des Inneren Schweinehundes und der Selbstkasteiung verläuft.

„Ein anderer Mensch“

„Nach dem Strongman bist du ein anderer Mensch“, sagt uns ein junger Mann in einer Teilnehmergruppe, die nicht zum ersten Mal dabei sind, und die anderen bestätigen kopfnickend. Etwas genauer, wollen wir wissen. „Irgendwie selbstzufriedener, irgendwie befreit, freier eben“, kommt die doch zögerliche Antwort. Ob der „irgendwie Befreite“ am Tag danach resolut zu seinem Chef eilt und eine sofortige Gehaltserhöhung verlangt? Nö, so wiederum war das nicht gemeint!

Doch sollten wir ganz allgemein gesehen die Verdienste und die Anstrengungen der aufrichtigen und tapferen Sportler nicht im Geringsten kleinreden. Für die allermeisten bleibt die Devise auch weiterhin „dabei sein ist alles“ und nur die ganz Ehrgeizigen möchten unbedingt auf das Siegerpodest. Hauptsache aber, es hat Spass gemacht!Bei der diesjährigen Auflage waren die Sportler deutlich in der Mehrheit, darunter auch solche bekannte Grössen wie Liz May.

Fun for ever

Apropos Spass, der heute im modernen Deutsch nur noch „Fun“ heisst. Für die absoluten „Fun“-Fanatiker ist der „Strongman“ ein weiterer Höhepunkt alter Traditionen, die man aus den USA oder aus Deutschland übernommen hat, eine Gelegenheit, die tristen Herbsttage zwischen Oktoberfest, Halloween und der fünften Jahreszeit (Fasching) zu überbrücken. Sie treten zumeist verkleidet auf, als Batman, Superman, Super-Mario, als Wikinger mit falschen Bärten und Hörnerhelmen, Tarzan/Jane, Popeye usw. Der Fantasie, was so ein „richtiger starker Mann/Frau“ sein sollte, sind keine Grenzen gesetzt.

Der „Strongman“ kein banaler Cross über Stock und Stein, es ist ein Lauf mit vielen künstlich aufgebauten Hindernissen, der im konkreten Fall über 22 km (zwei Runden à 11 km) führt, nur selten über Asphalt, vor allem aber über die Wiesen des Woiwer-Viertels, den „Thillebierg“, das Stadtzentrum (drei sogenannte „Hot points“) bis zur Zielgeraden in der Nähe des Hadir-Towers.

Adrenalin pur

15 Hindernisse sorgten für Adrenalin pur, wobei die 25 m lange Rutsche mit Wasserspülung wohl das harmloseste war. Komplizierter und aufreibender sind schon der „Tyred by Seat“, wo die Konkurrenten über 3.000 Altreifen hecheln müssen, das Eintauchen in ein 2 m tiefes Becken mit eiskaltem Wasser, das Waten durch knöchelhohen Schlamm oder das Kraxeln über Container („Stairway to Heaven“). Kein Honigschlecken auch die „Punch Attack“, ein Spiessrutenlauf durch einen 75-m2-Gang mit 40 schwingenden Boxsäcken und leichten elektrischen Stromschlägen als Zugabe.

Die Reaktionen des Publikums, das sich massiv an den „hot points“ angesammelt hatte, gingen von Kopfschütteln bis zu begeistertem Anfeuern. Die Organisatoren um Thierry Wagner und Maurice Lentz waren’s zufrieden. Einer dritten Auflage im kommenden Jahr sollte nichts mehr im Wege stehen.