/ Vertrauen ist nicht alles
Nach längerer Forderung der Anwälte der Angeklagten, wurde beim heutigen Verhandlungstag der Bildungsminister Claude Meisch ebenfalls als Zeuge gehört.
Vor allem zwei Punkte standen bei der Befragung von Claude Meisch im Mittelpunkt; zum einen, ob er über das Versenden der Prüfungsfragen, vor Abschluss aller Prüfungen informiert gewesen sei. Zum anderen musste er nochmals erläutern aus welchen Gründen das Ministerium sich dazu entschloss alle Test einschließlich des Mathetests zu wiederholen.
Keine persönliche Entscheidung
Er persönlich, sei nicht über das frühzeitige Verschicken der Prüfungsunterlagen informiert gewesen und habe somit diese Entscheidung auch nicht getroffen. Dies sei der Zuständigkeitsbereich des Script (Service de Coordination de la recherche et de l’Innovation pédagogiques et technologiques), sagte Meisch am Dienstag bei der Befragung. Diese Entscheidung würde er jedoch auch nicht bemängeln.
Zudem habe er Vertrauen ins Lehrpersonal, dass sie diese vertraulichen Unterlagen nicht an dritte weiter geben würden. Als Bildungsminister habe er die Pflicht dem Personal zu vertrauen ansonsten würde das ganze zusammenbrechen, erläuterte er.
Nicht gleichzustellen mit „Premièresexamen“
Die Verteidiger kamen immer wieder darauf zu sprechen, dass die verschickten Unterlagen nicht mit einem Vermerk versehen waren, der darauf hindeutete, dass es sich um vertrauliche Unterlagen handele. Die Orientierungstests seien nicht gleichzustellen mit den „Premièresexamen“.
Daher habe man hier nicht die gleichen Sicherheitsprozeduren angewendet. Zudem habe das Bildungsministerium schon immer bedenken gehabt, dass diese Tests überbewertet werden. Sie würden nur zu einem Bruchteil zur Orientierung eines Schülers beitragen und würden nicht das alleinige Entscheidungsmittel darstellen, bekräftigte Meisch.
Bereits häufiger Gerüchte
Zugeben musste er allerdings, dass ihm bereits vor dem Leck im März 2015 häufiger Gerüchte zu Ohren kamen, dass die Prüfungsunterlagen zu den Leistungstests des Zyklus 4.2. der Grundschule, vorab in Umlauf seien. Er habe versucht diesen Gerüchten nachzugehen, etwas Konkretes habe sich jedoch nie ergeben.
Als jedoch im März 2015 ein Journalist des Tageblatts ihm mitteilte, dass ihm die Prüfungsunterlagen vorliegen würden und dies noch vor Abschluss der Orientierungstests in der Grundschule, habe das Ministerium handeln und eine schnelle Entscheidung treffen müssen, so der Minister.
Daraufhin habe er am 19. März eine Pressekonferenz einberufen, bei der er schließlich verkündete, dass alle Orientierungstests wiederholte werden müssten. „Heute hat man eine andere Sicht auf die Dinge“, äußerte Claude Meisch. Nun habe man natürlich mehr Einblick in alle Details.
Die CSV und die Drop-box
Ein weiterer Punkt der am Dienstag aufgegriffen wurde war, dass die Prüfungsunterlagen ebenfalls an CSV Politiker weitergegeben wurden. Die Partei hatte kurz nachdem die Dokumente am 16. März 2015 „geleakt“ wurden, bereits am darauffolgenden Tag eine parlamentarische Anfrage an den Bildungsminister eingereicht. Die Frage bezog sich darauf, wie der Minister verhindere, dass die Unterlagen frühzeitig in Umlauf gebracht werden und wie es möglich sei, dass bereits Dokumente zirkulieren.
Bei der Befragung gab der Lebensgefährte einer Angeklagten zu von den Dokumenten gewusst zu haben. Er habe es durch seine Partnerin erfahren. Zudem ist er Mitglied bei der CSV. Von den „geleakten“ Dokumenten habe er anschließend Félix Eischen der CSV informiert und ihm zusätzlich einen Link zu seiner privaten Drop-Box mitgeteilt auf welcher sich die gesamte Datei der Prüfungsunterlagen befand.
Verschickte Audiodatei
Auf die Frage hin ob er die Dokumente selbst eingesehen habe, gab der Zeuge keine klare Antwort. Daraufhin wurde der mit einer E-Mail konfrontiert, die er am 16. März 2015 an seine Freundin (eine der angeklagten Lehrerinnen) weitergeleitet hatte. Die Mail versendete er mit einer komprimierten Audiodatei. Der Zeuge gab daraufhin an, dass er sich nicht mehr an den Inhalt der Audiodatei erinnere.
Der Prozess wird am Mittwoch weitergeführt. Bisher sieht es so aus als würden die Anwälte der Angeklagten sich vor allem auf die, ihnen zufolge, unklaren Angaben des Ministeriums fokussieren. Hierbei geht es unter anderem um das Versanddatum der Unterlagen, sowie die relativ undurchsichtige Prozedur im Umgang mit den Prüfungsunterlagen.
Auf der anderen Seite haben die Zeugenaussagen von Montag und Dienstag gezeigt, dass das Bildungsministerium keinerlei Unklarheiten in ihren Prozeduren erkennt und somit das frühzeitige Verschicken der Unterlagen nicht wirklich als Fehler konstatiert.