Uneinigkeit über Sinn und Zweck

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Die Zahl der medizinischen Fachbereiche, die in Luxemburg offiziell anerkannt sind, soll von derzeit 42 auf 52 ausgeweitet werden. Wir haben uns über Sinn und Zweck dieser Maßnahme informiert./ Tom Wenandy

Allergologie, Dermatologie, Tropenmedizin, klinische Neurophysiologie, Neuropsychiatrie, Pharmakologie, Radiologie, Stomatologie, Traumatologie und Notfallmedizin sowie Venerologie: So komisch es vielleicht zum Teil erscheinen mag, diese zehn medizinischen Fachbereiche sind in Luxemburg – derzeit zumindest – nicht offiziell anerkannt. Dies soll aber nun anders werden.
Am vergangenen Freitag hat der Ministerrat einen Reglementsentwurf verabschiedet, mit dem das großherzogliche Reglement vom 13. Februar 2004 bezüglich der Festlegung der in Luxemburg anerkannten medizinischen Fachgebiete und der jeweils erforderlichen Ausbildung abgeändert werden soll. Gegenstand des Entwurfs ist die angesprochene Erweiterung der Zahl anerkannter ärztlicher Fachgebiete von derzeit 42 auf 52.

EU-Richtlinie

Wie man uns auf Anfrage beim Gesundheitsministerium erklärte, handelt es sich bei dem geplanten Reglement um die Umsetzung einer europäischen Direktive. „Die EU-Direktive 2005/36/CE befasst sich mit der Anerkennung von Berufsqualifikationen auf Gemeinschaftsebene“, erklärte uns Direktionsrat Laurent Jomé. Die Direktive betreffe die verschiedensten Berufe: zum Beispiel Apotheker, Architekten und eben auch Ärzte. „In Luxemburg setzen wir die Richtlinie sektoriell, das heißt nicht in einem einzigen Gesetzestext, sondern mit verschiedenen Reglementen um. Jener die medizinischen Fachrichtungen betreffend ist einer davon“, so der Jurist. Für den Patienten ändere sich dadurch prinzipiell nichts, sowohl was die Behandlung selbst als auch die Tarife anbelange.
Seitens der Ärztevereinigung AMMD („Association des médecins et médecins-dentistes“) indes sieht man die Situation nicht ganz so entspannt. Die geplante Reglementsänderung sei unverständlich, zumal die betreffende Direktive für den medizinischen Bereich nicht umgesetzt werden müsse, sagte AMMD-Generalsekretär Claude Schummer gestern gegenüber dem Tageblatt. „Eine Anhebung der Anzahl an Fachrichtungen bringt nichts und ist sogar kontraproduktiv“, so der Mediziner. Zum Beispiel würde es aufgrund der steigenden Spezialisierung immer schwieriger, kohärente Gruppen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst zusammenzustellen.
Des Weiteren würde die Multiplikation der Fachrichtungen eine Mehrzahl an Ärzten aus dem Ausland anlocken, die auch aufgrund der finanziell nicht sonderlich guten Situation der Krankenkassen nicht unbedingt einen Mehrwert für das hiesige Gesundheitssystem darstellen würden. „Stattdessen fordern wir als Ärztevereinigung eine nationale Bedarfsplanung“, erklärte Schummer. Es gelte, genau festzuhalten, in welchen Bereichen ein Ärztemangel bestehe und in welchen nicht. „Neurochirurgen zum Beispiel brauchen wir keine mehr, deren haben wir so viele wie wahrscheinlich kein anderes Land“, so Schummer. Allerdings fehle es an Anästhesisten, an Gynäkologen und an Psychiatern. Auch fehle es derzeit an Allgemeinmedizinern und an Kinderärzten. Dementsprechend spricht sich die AMMD gegen ein striktes Einstellungsstopp aus.

„A tête reposée“

Von einem solchen könne auch gar nicht die Rede sein, sagte uns in diesem Kontext der Gesundheitsminister. Im Rahmen der Quadripartite-Gespräche habe man den Krankenhäusern lediglich nahegelegt zeitweilig nicht einzustellen, so Mars di Bartolomeo. Scheidende Ärzte sollen selbstverständlich ersetzt werden können. „Wir wollen einfach ‚à tête reposée‘, ausgehend von einer ‚carte sanitaire‘ und basierend auf den auftretenden Pathologien und existierenden Standards, eine Bestandsaufnahme der Bedürfnisse an Ärzten durchführen“, so der Minister. „In diesem Sinne gehen wir ganz klar mit auf den von der AMMD geforderten Weg der nationalen Bedarfsplanung.“
Was nun aber die geplante Anerkennung der zehn neuen Fachrichtungen anbelangt, so sieht Di Bartolomeo weniger Probleme als die Ärztegewerkschaft. „Alle medizinischen Aktivitäten, die jetzt abgedeckt werden, werden auch zukünftig – wenn auch vielleicht unter einer anderen, etwas präziseren Bezeichnung – abgedeckt. Und rückerstattet werden alle Behandlungen wie bisher“, beruhigt der Minister.
„Was aber nicht verhindern soll, dass wir, wie abgemacht, in Bälde die Nomenklatura der medizinischen Akte überarbeiten werden.“