Schulserie (8)Trivial- „vs.“ Hohenkammliteratur (Belletristik), Teil 1

Schulserie (8) / Trivial- „vs.“ Hohenkammliteratur (Belletristik), Teil 1
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Die Schulen haben wieder geöffnet und deshalb gibt es heute auch die letzte Folge unserer Schulserie mit Übungen zur deutschsprachigen Literatur sowie zur Rechtschreibung (Orthografie) und Grammatik.

Folge 8: Wer kennt sie nicht, die „Poser“ im Schulhof, welche krampfhaft einen Musiktrend vorgeben wollen? Ob Punk, Rap, Heavy- oder irgendein anderer Metal-Stil, es geht jeweils um die Form, die Pose eben. Der Inhalt scheint jeweils zweitrangig. Oder verhält es sich genau anders? Ist das nun Kitsch oder angesagt, „cool“, progressiv? Nicht auf Anhieb zu klären!

Dennoch gibt es eine Unterscheidung, die für viele Literaturkenner, ausgewiesene wie selbsternannte, längst entschieden ist: hier die schöne, kanonisierte Literatur mit Klassikern wie Lessing, Goethe, Schiller, Heine, Kleist, Büchner, Hölderlin, Rilke, den Manns, Musil, Broch, Frisch, Böll, Grass und vielen anderen aus dem deutschsprachigen Dichterolymp. Da jedoch, weit abgelegen und von der Germanistik wie dem Feuilleton naserümpfend behandelt, der quantitativ und von den Verkaufszahlen her gesehen größte Teil: die Trivial-, Schund-, Kitsch-, Schema- bzw. Unterhaltungsliteratur, wozu auch die Science-Fiction (Hugo Gernsback!) gehört. All diese genannten Bezeichnungen sind Notbehelfe zur Kennzeichnung eines seit dem 18. Jahrhundert überbordenden Textkorpus mit Autoren wie Karl May, Rudolf Herzog, Wilhelm Jensen, Heinz G. Konsalik, Johannes Mario Simmel u.a.m.

Ein erster fundamentaler Unterschied zwischen der „Hohenkamm“- und der Trivialliteratur ist das jeweilige Verhältnis zu einem Erwartungshorizont des Publikums. Erwartet man von der Belletristik im Allgemeinen ständige formale Innovation (Erzählweise, Satzbau, Komposition, Sujets, Wortwahl usw.), so gilt das genaue Gegenteil für große Teile der Trivialliteratur. Die gewohnte Form, das Schema im Liebes-, Reise- oder Abenteuerroman etwa, soll möglichst beibehalten werden. Einzig und allein der Handlungsverlauf soll durch einen anderen Plot ersetzt werden. Der Sprachgebrauch ist zweitrangig, nur leicht konsumierbar soll er sein. Die Figuren, allen voran der Held (Winnetou, Jerry Cotton u.a.), sollen einen hohen Wiedererkennungswert haben und nicht zu komplex charakterisiert werden. Wesentlich ist jeweils das erfolgreiche und stets als sicher vorauszusetzende Bestehen einer gefährlichen Bewährungsprobe bzw. das Happy End für die Liebenden nach bestandener „Krise“.

Die Germanistik befasste sich nur für kurze Zeit intensiver mit dem Gegenstand der Trivialliteratur, vornehmlich in den 1960er und 1970er Jahren. Seither ist das Interesse daran nahezu völlig verebbt. Dabei birgt dieses Gebiet vielfältige und aktuelle Erkenntnismöglichkeiten. Genau wie in der Musik, der Malerei, der Bildhauerei und dem Film ist es ein zutiefst menschliches und weit verbreitetes Bedürfnis, sich dem Kitsch, der Vereinfachung, dem Trivialen hinzugeben. Darüber wertend-überheblich hinwegzusehen und ausschließlich die „hohe Kunst“ zu propagieren, wirkt stets abgeklärt und smart, liefert aber keine valide Antwort auf die Ausgangsfrage: Was genau unterscheidet Triviales von „Edlem“, was bedeutet „trivial“, ab wann ist ein Text trivial, wann nicht, sollte man die Finger vom Trivialen lassen, ist das Leben zu kurz für Kitsch usw.? Mehr dazu im zweiten Teil.