/ Spagat zwischen Sport und Politik
Von Laura Tomassini
Seit etwa sechs Monaten ist Jairo Delgado Mitglied des Gemeinderats in Ettelbrück. Bei einem Treffen im „Independent Café“ hat der 32-jährige Basketballspieler – der morgen sein achtes Pokalfinale als Kapitän der Etzella Ettelbrück bestreiten wird – uns verraten, wie er Sport, Politik und Privatleben unter einen Hut bekommt und was seine persönlichen Anliegen für die kommenden sechs Jahre sind.
Ein Sprung ins kalte Wasser – so bezeichnet Jairo Delgado selbst den Start seiner politischen Karriere im vergangenen Oktober. Der gebürtige Ettelbrücker mit kapverdischen Wurzeln ist kein Unbekannter in Luxemburg, die meisten kennen seinen Namen aus der nationalen Basketball-Szene. Seit Jahren wirft der 1,88 Meter große Spieler Körbe für sein Heimteam BBC Etzella und die luxemburgische Nationalmannschaft.
Nun hat Jairo einen Schritt in eine ganz neue Richtung gewagt. Der Gang in die Politik scheint für Sportler zwar gerade voll im Trend zu liegen, dennoch war seine Entscheidung eher spontan als geplant: „Ich habe mich schon immer für Politik interessiert, auch durch meine Wirtschaftsstudien. Bisher habe ich mich aber nie getraut, irgendwo anzuklopfen, um mitzumachen.“
Es war der frühere Etzella-Präsident Claude Halsdorf, der Delgado den nötigen Schubs verpasste. Der LSAP-Politiker hatte wohl den richtigen Riecher, denn trotz fehlender politischer Erfahrung schaffte es Delgado, seine Mitbürger von sich zu überzeugen und landete prompt im Gemeinderat. Ein unerwartetes Ergebnis, wie der 32-Jährige erklärt: „Ich war schon der Ansicht, dass ich einen guten Score hinlegen würde, da ich ja viele Leute aus Ettelbrück kenne und vor allem auch durch die große kapverdische Gemeinschaft in der Gemeinde. Aber dass ich gleich beim ersten Mal gewählt worden bin, das war echt eine Überraschung.“
Eine Art Mittelsmann
Das Wahlergebnis hat er erst nicht so wirklich wahrgenommen – als es verkündet wurde, rannte der Basketballer noch übers Spielfeld. Sein Staunen war entsprechend groß, wie er verrät: „Die ersten vier Leute der LSAP sind ziemlich gut und auch sehr bekannt in Ettelbrück. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich vor einem von ihnen platzieren würde.“ Besonders sein Vorsprung auf Kollegin Joëlle Reeff war für den frischen Politiker ein kleiner Schock.
Und dennoch: Die Ambitionen des neuen Gemeinderatsmitglieds sind groß. Vor allem das Thema Integration liegt dem 32-Jährigen persönlich am Herzen. „Die kapverdische Gemeinschaft ist in Ettelbrück nicht so richtig integriert. Das ist aber auch etwas unsere eigene Schuld, da wir oft nicht sehr offen auf andere zugehen“, weiß Jairo. Er wolle ab nun als eine Art Mittelsmann agieren, um so beide Gemeinschaften näher zueinander zu führen. Seine neue Stellung als Präsident der Integrationskommission dürfte da genau die richtige Position sein.
Selbst hatte der Luxemburger mit kapverdischen Wurzeln noch nie mit Vorurteilen zu kämpfen: „Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, ganz gut integriert zu sein, vor allem auch durch den Basketball.“ Sport spielt auch heute noch eine wichtige Rolle in seinem Leben, auch wenn er unter seine Karriere auf internationalem Niveau nun einen Schlussstrich zieht: „Ich bin der Meinung, dass wir momentan ganz viele junge Spieler in der Nationalmannschaft haben, die die Nachfolge übernehmen können. Ich denke, es wird für mich einfach Zeit, da kürzerzutreten und meine Prioritäten auf andere Dinge zu legen.“
Schweres Gleichgewicht
Trotzdem steht Basketball für Jairo Delgado zurzeit noch an erster Stelle, denn mit seinem Verein Etzella gibt es noch so einiges an Titeln zu holen: „Ich werde nicht mehr allzu lange spielen und möchte das Ganze noch gerne richtig zu Ende bringen. Diese Saison ist das Ziel auf jeden Fall, das Double zu schaffen.“
Vernachlässigt werden seine politischen Ziele dennoch nicht, auch wenn es ihm derzeit noch etwas schwer fällt, ein Gleichgewicht zwischen Privatleben, Studium, Basketball und Politik zu finden: „Teilweise finden Gemeindeversammlungen zu denselben Zeiten statt wie unser Training. Ich versuche dann, an beiden Orten zu sein, indem ich die Versammlungen etwas früher verlasse und dafür den Anfang des Trainings verpasse.“
Als Vorsitzender der Ettelbrücker Sportkommission gehört auch die Anwesenheit bei Generalversammlungen von lokalen Sportclubs zu Delgados Aufgabenbereich – ein Spagat, der nicht immer leicht zu meistern ist. „Ich renne von einer Ecke zur nächsten und es ist gerade noch ziemlich schwierig, mich zu organisieren. Das ist aber jetzt nur am Anfang so, bis ich den Dreh raushabe. Danach sollte es gehen – oder auch nicht“, witzelt der 32-Jährige.
„Ich bin gerade am Schnuppern“
Auf die Frage, wie er sich die nächsten Monate als Gemeinderatsmitglied vorstellt, antwortet Delgado bescheiden: „Da ich ja erst neu dabei bin, habe ich noch keinen so großen Einfluss. Ich sitze momentan eher da und höre zu, als dass ich proaktiv Entscheidungen fälle. Ich befinde mich gerade quasi in einer Lernphase.“ Eine ungewohnte Selbsteinschätzung für einen Politiker, die allerdings eine angenehme Abwechslung zu den sonst oft exzentrischen Ambitionen anderer darstellt.
Jairo Delgado ist eben realistisch. „Ich bin gerade am Schnuppern. Bis jetzt gefällt es mir sehr gut und ich kann mir vorstellen, in sechs Jahren noch mal mitzugehen“, meint er. Fürs Erste plane er aber, sich auf Gemeindeniveau weiterzubewegen. Dennoch will er den Sprung auf die nationale politische Ebene nicht komplett ausschließen: „Gerade besitze ich noch nicht das nötige Know-how, um weiter zu gehen. Step by Step, würde ich sagen. Wenn ich aber irgendwann das Gefühl habe, ich könne diese Herausforderung meistern, dann gerne.“
Konkret arbeitet Delgado mit seinen Kollegen der Integrationskommission gerade an einem geplanten Trip nach Kap Verde.
Eine soziale Ideologie
„Für Leute, die daran interessiert sind, die kapverdische Kultur kennenzulernen. Vielleicht hilft das, die Kapverdier in unserer Gemeinde besser zu verstehen“, meint er. Verständnis für andere ist auch eines der Motive, weshalb der Basketballer sich für seine Partei entschieden hat: „Die Ideologie der LSAP passt gut zu mir als Mensch. Ein weiterer Grund waren aber auch die Leute, die bei uns in der Partei sind. Das sind Menschen, mit denen ich mich identifizieren kann.“
Das Jahr 2018 scheint so manche Veränderung für Jairo Delgado bereit zu halten, sei es privat, im Sport oder auf politischer Ebene. Einer Sache ist sich der Ettelbrücker jedoch sicher: Auch wenn sein Eintritt in die Politikwelt Luxemburgs eher schicksalhaft als geplant war, die nächsten sechs Jahre wird er sein Bestes geben, um an den ihm bevorstehenden Herausforderungen zu wachsen. Schließlich ist man als „Swingman“ im Basketball ja gewohnt, auch mal die Position zu wechseln und neue Wege zum Ziel zu finden.
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