Sozialmodell federte soziale Folgen der Fusion ArcelorMittal ab

Sozialmodell federte soziale Folgen der Fusion ArcelorMittal ab

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Die Stahlindustrie erholt sich von der tiefen Wirtschaftskrise. Im dritten Trimester lag die Produktion um 15 Prozent höher als im Vortrimester.

Vor allem auf der Mitteleisenstraße Belval laufe es gut, hieß es am Samstag auf der Generalversammlung des Stahlsyndikats des OGB-L in Esch. Auch im Differdinger Werk ziehe die Produktion an, anders jedoch auf Straße C in Rodange, auf der Betoneisen gewalzt wird, so Gewerkschaftssekretär Raymond Kapuscinsky.
Im dritten Trimester seien die Kapazitäten nur zu 60 Prozent ausgelastet gewesen. Im vierten Trimester werde mit 70 Prozent gerechnet, betonte seinerseits John Castegnaro, Präsident der Asbl. „Sidérurgie“ und Verwaltungsratsmitglied von ArcelorMittal. Von einer Rückkehr zur Rentabilität, von einer Zunahme der Aufträge, war die Rede.
Ob das jedoch die entscheidende Wende zum Guten ist, wollte am Samstag niemand behaupten. Man sei schon in verschiedenen Werken dabei, weitere Posten abzubauen, sagte Kapuscinsky. Das Jahr 2010 werde noch angespannter als 2009.
Insbesondere die Haltung der Direktion gegenüber den Absolventen der werkseigenen Schule empörte Kapuscinsky. Nur dank des Einsatzes der Delegation konnte für die jungen Leute nach vierjähriger Lehre eine Arbeitsstelle im Betrieb gefunden werden. Jährlich machen rund 20 Jugendliche eine Lehre bei ArcelorMittal.
Das Luxemburger Sozialmodell hat die Belegschaft der Stahlindustrie bei der Übernahmeschlacht von Mittal auf Arcelor „vor dem Schlimmsten“ bewahrt, sagte John Castegnaro. Vor den Gewerkschaftsdelegierten ließ der Gastredner mehr als dreißig Jahre Einsatz für den Erhalt der Stahlindustrie Revue passieren.
Die Stahlindustrie sei auch heute, inmitten der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, eine Insel, betonte Castegnaro. Und das dank der Kriseninstrumente, die während der großen Stahlkrise der Jahre 1977/78 geschaffen wurden. Dabei nannte er die Stahltripartite, jenes Gremium, in dem Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften und Regierung in Krisensituationen gemeinsam nach Lösungen suchen. In jener Zeit wurde das vereinbart, was auch heute noch die Beschäftigten weitgehend vor den Folgen der Krise schützt: Arbeitsplatz- und Lohngarantie.

Der Preis desStandorterhalts

Nach der Fusion von Arcelor und Mittal Steel zu ArcelorMittal konnte dem neuen Besitzer Lakshmi Mittal die Zusage abgerungen werden, auch weiterhin die Stahltripartite als Kriseninstrument zu erhalten.
Seitdem wurde in der Dreierkonferenz „Lux2011“ ausgearbeitet und im Dezember 2008 unterschrieben. Die Vereinbarung sieht nicht nur weitere Investitionen in die Luxemburger Werke in Höhe von 75 Millionen Euro, sondern auch die Fortführung der sozialen Begleitmaßnahmen für die Belegschaft in Krisenzeiten vor. Die angestrebte Produktivitätserhöhung um bis zu 30 Prozent hat ihren Preis. Bis zu 700 Stellen könnten wegfallen, wobei, wie in der Luxemburger Stahlindustrie üblich, niemand entlassen wird.
Auch nach der Krise dürfte Luxemburgs Stahlindustrie kaum aufatmen können. Castegnaro wies dabei auf die sich abzeichnende Konkurrenz chinesischer Stahlkocher hin. Das Land produziert jährlich rund 500 Millionen Tonnen Stahl.
lmo 

o 4.521 Beschäftigte zählt derzeit die Stahlindustrie. Zusammen mit den Mitarbeitern der Unternehmen aus dem sogenannten ArcelorMittal-Perimeter sind es knapp 6.000.
In der Hochzeit der Luxemburger Stahlindustrie 1977/1978 zählte das Land 30.000 Stahlarbeiter.

o 66,36 Prozent der Stimmen konnte die Gewerkschaft bei den Sozialwahlen in der Stahlindustrie verbuchen.

o 2002 gründeten OGB-L und LCGB im Zuge der Fusion von Arbed, Aceralia und Usinor zu Arcelor die Asbl. „Sidérurgie“. Gemeinsam wollte man die Interessen der Stahlbeschäftigten verteidigen.