/ "Sie sind Feiglinge"

Vor Romain Nettgen mussten noch andere Zeugen vor den Richtern passieren. Unter anderem Ex-Ermittler Fernand Ruppert. Er sollte sich zu einem vermeintlichen Abschiedbrief von Henri Flammang, Ex-Waffenexperte der Polizei, äußern. Flammang hatte sich das Leben genommen. In besagtem Schreiben habe er angegeben, er sei einer der Bombenleger, hatte ein Zeuge vergangene Woche angedeutet. Ruppert bestätigt, dass es Briefe von Flammang gab. Aber einen über die Bommeleeër gab es nicht. Ruppert: „Sie dürfen mir glauben, hätten wir einen solchen Hinweis gefunden, wir wären damit sofort zu den Ermittlern gelaufen.“
Auch Polizeichef Romain Nettgen, der nach Ruppert gehört wird, weiss nichts von derlei Schreiben Flammangs. Nettgen: „Ich habe von Briefen gehört, habe sie aber nie gelesen. Von der Info Bommeleeër in einem der Briefe weiß ich nichts. Soweit ich weiß, entschuldigte sich Flammang in einigen Briefen bei verschiedenen Leuten.“
Auf die Frage von Richterin Sylvie Conter, warum sich die bislang gehörten Offiziere vor Gericht schlecht verkauften, weiß Nettgen keine Antwort. Auch er habe keine Erklärung dafür, sagt er. Er habe sich darüber auch mit dem Polizeipsychologen unterhalten.
Die Spur Stay-Behind
Ermittler Pierre Kohnen kann sich auch nicht an einen entsprechenden Abschiedsbrief von Flammang erinnern. Andere Abschiedsbriefe habe es wohl gegeben. „Bei Flammang haben wir zu keinem Moment daran gedacht, dass er etwas mit den Anschlägen zu tun hatte. Wir hatten aber zunächst einen Verdacht in Richtung ‚Stay-Behind‘. Dort wurden Ermittlungen geführt.“
Für „Stay-Behind“ in Luxemburg war damals die Armee zuständig, sagt Kohnen. Das habe ihm ein alter Freund bei der Armee bestätigt. Es soll sich um den damaligen Colonel Gretsch handeln. Das „Stay-Behind“ in Luxemburg sei ein rein ziviler Zweig gewesen. Sie sollten lediglich als Funker aktiv sein. „Der Colonel zeigte mir damals eine Namensliste von den Mitgliedern. Es handelte sich um Pfarrer, Landwirte und andere. Polizisten waren nicht dabei“. Die Verteidigung der beiden Angeklagten Marc Scheer und Jos Wilmes vermutet, dass die Nato-Geheimarmee Stay-Behind hinter den Anschlägen steckt.
Laut Kohnen befanden sich die Namen in einer Kiste in einem Panzerschrank des Colonels. „Er sperrte den Schrank auf und zeigte mir einfach die Liste“, so Kohnen. Seinen Erinnerungen zufolge handelte es sich um eine alte Namensliste. Die Informationen dienten nur zu den Ermittlungen um den Selbstmord von Henri Flammang. Es habe keine Verbindungen zu den Bommeleeërn gegeben.
Die Amnesie der Polizeioffiziere
Kohnen geht auf die „Amnesie“ der Offiziere in der Affäre Bommeleeër ein. Er spricht von Feigheit. Er betont: „Ich bin stolz Polizist und Offizier zu sein. Mich stört es, dass in der Affäre alles so verallgemeinert wird. Dies hat in der letzten Zeit zu starker Unruhe innerhalb der Polizei gesorgt, besonders bei den Unteroffizieren.“
Kohnen kommt auf den Anschlag auf den Justizpalast zu sprechen. Damals gab es BKA-Analysen darüber, dass das Gebäude ein Ziel der Attentäter sein könnte. Im November 1985 explodierte dort ein Sprengsatz. Kohnen: Ich hörte von der Explosion im Radio. Ich hatte zunächst gedacht, jetzt haben wir sie. Laut Kohnen gab es damals den Plan, das Gebäude zu überwachen. Was Kohnen damals nicht wusste: Gendarmerie-Colonel Aloyse Harpes hatte kurz vor dem Anschlag die Streifen rund um den Tatort abgezogen. Daraufhin gab es eine heftige Konfrontation zwischen einem Ermittler (Wagner) und Colonel Harpes. Harpes beschuldigte Wagner, er sei der Bommeleeër. Es kam zum Eklat.
Wagner sollte mit dieser Aussage mundtot gemacht werden. Me Gaston Vogel und Staatsanwalt Georges Oswald haben Probleme mit den heutigen Aussagen von Kohnen. Vogel: „Sie sind heute viel vorsichtiger mit ihren Erzählungen.“ Kohnen: „Ich bleibe bei einem Aussagen. Daran hat sich nichts geändert. Es kann gut sein, dass ich die Details erst durch Ermittler Wagner erfahren hatte. Ich weiß davon, aber ich weiß nicht mehr, wann das war.“
Staatsanwalt und Verteidiger sind genervt
Staatsanwalt Oswald wundert sich, dass Kohnen die Details über die BKA-Analysen zu möglichen Tatorten den aktuellen Ermittlern nicht weitergereicht hat. Seine Aussagen seinen Erinnerungen, sagt Kohnen. Staatsanwalt Oswald wirkt von den Aussagen Kohnens genervt. Auch Gaston Vogel verdreht die Augen.
Kohnen gibt weitere Details preis: Er spricht von einem Treffen der beiden Spitzenermittler Haan und Wagner bei Colonel Wagner (damaliger Gendarmerie-Chef vor Harpes) und Staatsanwalt Jean-Marie Hary. Es ging um Ermittlungen gegen Personen im Land, die eine Kommando-Ausbildung (Einzelkämpferlehrgang) hatten. Es gab eine Liste mit 300 Personen. Ermittler Haan hatte damals in der Gruppe die Bombenleger vermutet. Dieses Papier wurde damals vom Staatsanwalt Hary aber wieder eingezogen.
„Mit uns wurde damals gespielt. Wir haben damals versucht, eine Antwort darauf zu finden. Es gab Spekulation“, sagt Kohnen. „Welche Spekulationen?“, will Richterin Conter wissen. Kohnen sträubt sich: „Ich bin vorsichtig, es könnte falsch ausgelegt werden. Eine Spekulation war Ben Geiben. Geiben wollte allen in der Gendarmerie beweisen, dass sie nichs taugen.“ Jos Steil sei nie als Täter unter Verdacht gewesen, auch kein Beamter aus der Gendarmerie, Police und Armee, beteuert Kohnen. In der Zwischenzeit hat Me Gaston Vogel genervt den Saal verlassen.
Mit den erstaunlichen Aussagen des Zeugen Kohnen geht der Prozess zu Ende.
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