SEW/OGBL: „Noch viele offene Fragen“

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LUXEMBURG - Das Papier der Unterrichtsministerin über die Reform der Oberstufe von Sekundaruntericht und technischem Sekundarunterricht ist, um es gelinde auszudrücken, nicht nach dem Geschmack des SEW/OGBL.

Zwar gibt es kein prinzipielles Nein, aus dem Gutachten zum Reformprojekt liest sich aber eine deutliche Skepsis heraus.

Grundschule

Die Grundschulreform findet trotz einer Reihe von Nachbesserungen für das Schuljahr 2011/2012 in den Augen des SEW keine Gnade. „Ein Kompromiss, der uns nicht zufriedenstellt“, meint Präsident Patrick Arendt zu den neuen „bilans d’évaluation“. „Die schwammigen Beschreibungen bleiben.“ Und auch der administrative Aufwand werde mit den Änderungen nicht wirklich reduziert. Damit die Lehrer ein Maximum an Zeit auch wirklich für die Wissensvermittlung an die Kinder nutzen können, fordert das SEW stundenweise administrative Hilfe durch Gemeindebeamte.

Das Gutachten zur anstehenden Reform des Sekundarunterrichts und des technischen Sekundarunterrichts war eines der Hauptthemen der gestrigen Pressekonferenz von SEW/OGBL zur Schulrentrée.

Punkt für Punkt analysiert das Syndikat Erziehung und Wissenschaft des OGBL das im Mai von Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres vorgelegte Papier und spart dabei nicht mit Kritik.

Erster Punkt, an dem sich das SEW stößt, ist der so genannte „travail d’envergure“. Es sei dies sicherlich ein Mittel, um die Schüler zu mehr Autonomie und interdisziplinärem Denken zu ermutigen, die vorgesehene Größe (4.000-5.000 Wörter, 100 Arbeitsstunden außerhalb der normalen Unterrichtsstunden) sei aber völlig übertrieben.

„Travail d’envergure“

„Wir sind doch nicht auf der Uni“, bemerkt Vizepräsident Guy Foetz. Auch der Betreuungsschlüssel von sechs Schülern pro Studienrat müsse überdacht werden. Maximal zwei Schüler seien hier realistisch. Mindestens 50 Prozent der Arbeit müssten in die normalen Unterrichtsstunden integriert werden und für den Professor sei eine angemessene Freistellung für die begleitende Arbeit vorzusehen. Das SEW wirft im Zusammenhang mit den „travail d’envergure“ auch die Frage auf, wie man dem Phänomen des Plagiats wirksam entgegenwirken könne.

Probleme hat das SEW auch mit den Programminhalten der künftigen Module und den dominanten Fachrichtungen. Die Vorschläge des Unterrichtsministeriums seien eine „fundamentale Reorientation im Bereich der Sprachen“, bei der die Vielsprachigkeit, einer der großen Vorteile des luxemburgischen Bildungssystems, in Frage gestellt werde. Unverständlich ist für das SEW auch, dass Deutsch und Französisch als Fremdsprachen behandelt werden sollen. Dabei hätten die meisten Schüler in Luxemburg einen speziellen Bezug zu mindestens einer dieser Sprachen.

Weiterer Kritikpunkt der Gewerkschaft: die größere Flexibilität durch den Umstieg von einzelnen Fachrichtungen zum System der „dominantes“. Das sehe auf den ersten Blick zwar positiv aus, mit diesem neuen System riskiere man aber den Verlust der sozialen Kohäsion innerhalb der Klassen. Das neue System werde zwangsläufig zu einer Spezialisierung der einzelnen Lyzeen führen. Und damit zum Ende der „Lycéesdeproximité“. Schlimmstenfalls werden sich Schüler sogar über ein „Lycée de proximité“ in eine falsche Richtrung orientieren, befürchtet Guy Foetz.

Allgemeinbildung

Bedenklich sei auch, dass die Allgemeinbildung mit der Reform programmatisch beschnitten werde. Noch dazu ohne dass diese Allgemeinbildung überhaupt definiert wurde. Für das SEW ist, anders als für das Unterrichtsministerium, aber klar, dass Kunst und Musik dazugehören. Das SEW wirft in seinem Gutachten schließlich noch eine Reihe von allgemeineren Fragen und Bedenken auf. Zum einen ist es der Hinweis, dass die Bewertung von Kompetenzen immer riskiere, subjektiv auszufallen. Zum anderen ist es die Bemerkung, dass das Reformprojekt davon ausgeht, dass die Schüler autonom seien, verantwortungsbewusst und engagiert.

Dabei seien Schüler nur „ein Produkt der Gesellschaft“ mit allen ihren Stärken und Schwächen. Diese Phänomene könne man nicht einfach ignorieren, wie das in dem Reformprojekt der Fall sei.