Psychopharmaka bei Senioren: Keine genauen Zahlen, keine Kontrolle

Psychopharmaka bei Senioren: Keine genauen Zahlen, keine Kontrolle

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Ein Drittel der über 75-Jährigen wird hierzulande mit angstlösenden Medikamenten behandelt. Ein Viertel dieser Senioren erhält Schlaf- oder Beruhigungsmittel. Präzisere Angaben oder Statistiken über den Einsatz von Psychopharmaka bei Senioren gibt es in Luxemburg aber keine.

Tom Wenandy

Eine Studie, die in Berlin in 18 ausgewählten Seniorenheimen durchgeführt und jüngst im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Gabe von „ruhigstellenden“ Psychopharmaka bei etlichen Senioren zum Therapieschema gehört.

Dabei wurde auch nachgewiesen, dass die Gabe dieser Psychopharmaka nicht immer das Mittel der Wahl sein müsste, ja sogar bei bestimmten Krankheitsbildern aufgrund möglicher Gesundheitsrisiken nicht direkt indiziert sei.

Ob die Situation in Luxemburg vergleichbar ist, sprich ob hierzulande ältere Menschen in institutionalisierten Versorgungsstrukturen zum Teil auch mit Psychopharmaka „ruhiggestellt“ werden, darüber gibt es in Luxemburg keine verlässlichen Studien. Auch fehlen detaillierte Angaben über den generellen Verbrauch von sedierenden Medikamenten in Seniorenheimen, wie Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo und Familienministerin Marie-Josée Jacobs in ihrer gemeinsamen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des ADR-Abgeordneten Jean Colombera erklären.

Die einzigen verfügbaren Daten zum Medikamentenkonsum von Senioren in Luxemburg seien die Daten, die sich aus den Verschreibungen für den Bereich außerhalb der Krankenhäuser, sprich für den ambulanten Bereich ergeben würden. Diese Zahlen beinhalten auch die Medikamente, die an ältere Menschen in Seniorenheimen verabreicht werden, weil diese in der Regel von einem Arzt ambulant verschrieben und in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Apotheke ausgegeben werden.
Die zehn bei den über 75-Jährigen in Luxemburg am meisten verschriebenen Medikamentengruppen sind in der oben stehenden Grafik aufgeführt.

Bei dem oben erwähnten Begriff Psychopharmaka handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für chemisch verschiedenartige Arzneimittel, die die Aktivität des Zentralnervensystems beeinflussen und auf psychische Funktionen wie Stimmung, Affektivität und Emotionalität wirken. In diesem Sinne gehören also auch angstlösende Medikamente zu dieser. Sie rangieren in Luxemburg auf dem fünften Rang der von 75+-Senioren am meisten konsumierten Medikamenten.

Mehr als 33 Prozent aller Personen über 75 Jahre (also sowohl jene die in einer Pflegeeinrichtung leben als auch alle anderen) werden mit einem Medikament aus dieser Wirkstoffgruppe behandelt. Ebenfalls als Psychopharmaka gelten Schlaf- oder Beruhigungsmittel sowie opiathaltige Medikamente, die von jeweils rund 24 Prozent, also knapp einem Viertel aller über 75-Jährigen eingenommen werden.

Wie die zuständigen Minister weiter schreiben, würden auf dem elften Rang Hypnotika und auf dem 16. Rang Antidepressiva folgen. Erst auf dem 40. Rang der am meisten verschriebenen Medikamenten rangieren Neuroleptika, die von knapp zehn Prozent aller über 75-Jährigen konsumiert werden. Zwar handele es sich hierbei um nur einen schwache Nutzung, so Di Bartolomeo und Jacobs, doch würden diese Zahlen keinen Aufschluss darüber geben, ob die Medikamente auch ordnungsgemäß und nur bei Demenzkranken eingesetzt würden.

Die zuständigen Minister verweisen denn aber auf das großherzogliche Reglement vom 8. Dezember 1999 bezüglich der Zulassung für Heimbetreiber, in dem Normen für die Strukturen und Dienstleistungen für ältere Menschen festgelegt seien. Die Betreiber der CIPA („Centre intégré pour personnes âgées“) müssen außer einem allgemeinen „projet détablissement“ für jeden Heimbewohner ein personalisiertes Dossier bezüglich Pflege und medizinische Versorgung zusammenstellen.

Die Einhaltung dieser Vorgaben würde von Beamten des Familienministeriums überwacht, zusätzliche Kontrollen im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung würden von der nationalen Krankenkasse durchgeführt.