„Proteste schaden dem Land“

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Ein Bauprojekt in Istanbul hat zu schweren Ausschreitungen in der Türkei geführt. Die Proteste in ihrem Heimatland und der Bürgerkrieg in Syrien beschäftigt auch die in Luxemburg lebenden Türken.

Seit mehreren Tagen überschatten heftige Krawalle die Türkei. Auslöser war die am Freitag erfolgte gewaltsame Auflösung von Protesten gegen große Bauvorhaben auf dem Gelände des beliebten Gezi-Parks am Taksim-Platz in Istanbul. Die Polizei geht mit aller Härte gegen die regierungskritischen Demonstranten vor. Doch damit nicht genug, der andauernde Bürgerkrieg in Syrien hat bereits seine Spuren in der Türkei hinterlassen.

Was denken die in Luxemburg lebenden Türken über die gespannte Lage in ihrem Land. Tageblatt.lu hat sich mit Selim Eryaman vom „Centre Culturel Turkuaz“ unterhalten.

Tageblatt.lu:“ Herr Eryaman, wie beurteilen Sie die Lage in der Türkei? Ist der Widerstand gegen Premierminister Erdogan wirklich so groß?

Selim Eryaman: „Die Menschen protestieren nicht gegen seine Politik. Der Großteil der Demonstranten setzt sich vor allem aus Umweltaktivisten zusammen. Erdogan hat sich lediglich im Ton vergriffen. Das hat ein Teil der Türken geärgert. Auch mich hat Erdogans Aussagen irritiert vor allem seine Art und Weise. Seine Haltung gegenüber den Demonstranten hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Proteste werden sowieso in den kommenden Tagen abflauten. Zudem haben die Ausschreitungen dem Land bereits wirtschaftlich geschadet.“

Die Lage in Syrien beschäftigt viele Türken. Was halten Sie vom Konflikt in Syrien?

„Die Türkei wurde von Syrien beschossen und wir haben nicht ein einziges Mal das Feuer erwidert. Das belegt, dass Premierminister Erdogan alles versucht, die Situation an der Grenze nicht zu eskalieren. Er zeigt im Dossier Syrien viel Fingerspitzengefühl. Das muss man ihm lassen. Außerdem hat die Türkei über eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, die bei türkischen Familien untergebracht wurden. Einige Vermieter haben sogar ihre Landsleute rausgeworfen, um syrische Flüchtlinge aufzunehmen.“

Wie sind die in Luxemburg lebenden Türken politisch orientiert?

„Bei den letzten Wahlen sind die Auslandsstimmen aufs Konto von Erdogan gegangen. Ich gehe davon aus, dass die türkischen Bürger hierzulande zum Teil Pro-Erdogan sind. Bei den nächsten Wahlen könnten die in Luxemburg lebenden Türken erstmals in der Botschaft ihre Stimme abgeben.“

Wie viele Türken wohnen eigentlich in Luxemburg?

„In Luxemburg wohnen ungefähr 600 Türken. In den 60er Jahren wanderten die ersten Immigranten nach Luxemburg aus. Die zweite Welle kam in den 80er Jahren. Ein Großteil der letzten Generation arbeitet bei der Namsa in Capellen und im Bankwesen. Was die Schnellimbisse betrifft, so werden diese, soweit ich weiß, nicht alle von in Luxemburg lebenden Türken betrieben, sondern von Türken aus der Grenzregion.“