Parteienübergreifender Konsens

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Gut eine Woche nachdem sich Regierung und Parteien am Dienstagabend über eine Abänderung von Artikel 34 der Verfassung einig wurden, kam es gestern bereits im Parlament zur ersten Lesung. Von den anwesenden Abgeordneten sprachen sich 56 für die Änderung aus, mit der die Aufgabe des Großherzogs sich auf die Verkündung (promulgation) der Gesetze beschränkt. Laut...

Für den Berichterstatter und Verfassungsexperten Paul-Henri Meyers (CSV) bringt die Textänderung „eine klarere Trennung“. Die Verfassung werde „moderner und demokratischer“. Künftig entstehe ein Gesetz einzig durch das Votum des Parlaments, erklärt er. Die Verkündung der Gesetze soll auch weiterhin binnen drei Monaten nach dem Votum erfolgen. Dem Vorschlag des Staatsrats, diese Frist auf 30 Tage zu verkürzen, sei die Verfassungskommission nicht gefolgt. Auch die vorgeschlagene Abänderung von Artikel 46 wird nicht übernommen. In dem Fall wäre auch die Promulgation durch den Großherzog entfallen. „Das hätte eine ganze Reihe von anderen Textänderungen nach sich gezogen.“ Die aber wolle man in aller Ruhe durchnehmen, so Meyers.
In einer einstimmig angenommenen Resolution engagiert sich das Parlament, noch in dieser Legislaturperiode die gesamte Modernisierung der Verfassung durchzuführen. Die Abstimmung darüber soll dann von der Kammer vorgenommen werden, die aus den Juni-Wahlen hervorgeht.
Man streite dem Großherzog nicht das Recht auf eine eigene Meinung ab, meinte Colette Flesch (DP). Das ändere aber nichts daran, dass dieser gehalten sei, demokratische Entscheidungen zu respektieren. Das entspreche übrigens auch dem modernen Verständnis einer konstitutionellen Monarchie.
Die Verfassung müsse noch in anderen Punkten modernisiert werden. Es sei bedauerlich, dass man diese punktuellen Änderungen zu einem Moment vornehmen müsse, wo die seit vier Jahren andauernden Arbeiten zu einer grundlegenden Modernisierung der Verfassung fast abgeschlossen sind.

Aus vordemokratischen Zeiten

 Kritik


In scharfen Worten rechnet die Europaabgeordnete Erna HennicotSchoepges (CSV) mit ihren Parteikollegen in Regierung und Parlament ab. Auf ihrer Internet-Seite kritisiert die frühere Ministerin und CSV-Präsidentin die Eile, mit der die
Verfassungsänderung durchgeführt wird. Da werden parteiintern noch einige alte Rechnungen beglichen. lmo

„Wir arbeiten seit langem an einer grundlegenden Reform“, bestätigte Alex Bodry (LSAP). „Wesentliche Textpassagen der aktuellen Verfassung stammen noch aus vordemokratischen Zeiten.“ Nach gängiger Leseart wäre der vorliegende Fall eigentlich gar nicht möglich. Er zeige aber, dass es dringend notwendig sei, „den Text zu modernisieren“. Die Monarchie sei nicht in Frage gestellt, aber mit der LSAP werde es sicherlich nicht rückwärts Richtung Monaco oder Liechtenstein gehen. Man habe eine klare Präferenz für das schwedische Modell. „Es kann kein Vetorecht des Großherzogs geben. Das ist der Kern eines parlamentarischen Systems, das nicht in Frage gestellt werden kann.“ Indem er sich in die politische Diskussion einbringe, riskiere der Großherzog seine Legitimation als Vertreter aller Luxemburger, mahnte Bodry.
Auch Félix Braz von den Grünen zeigte sich irritiert über die Textauslegung des Großherzogs. „Es muss klar sein, dass in Luxemburg der Monarch kein Veto hat“, betonte er. Braz übte als einziger der Redner auch Selbstkritik am Parlament. „Eigentlich hätten die Alarmglocken schon läuten müssen, als sich der Großherzog 2005 öffentlich zu dem Verfassungsvertrag äußerte. Auch das war ein Fehltritt, wenn auch damals ohne Folgen.“
Jacques-Yves Henckes (ADR) wiederholte die Kritik seiner Partei an Jean-Claude Juncker. „Diese Hauruck-Reform der Verfassung hätte vermieden werden können, wenn der Premierminister aktiv geworden wäre, nachdem ihm die Bedenken des Großherzogs längere Zeit bekannt waren.“
Henckes wies darauf hin, dass die eingeschlagene Marschroute, nächste Woche das Gesetz über die Sterbehilfe einer ersten Lesung zu unterziehen, nicht ohne Risiko sei. „Was passiert, wenn über der Verfassungsänderung ein Referendum beantragt wird?“, fragte er. Bei Verfassungsänderungen sind laut Gesetz Referenden möglich. Sie müssen von 25.000 Wahlberechtigten getragen sein und gelten in dem Fall als zweite Lesung. Ein solches Referendum darf allerdings nicht im Zeitraum von drei Monten vor oder nach Legislativwahlen durchgeführt werden.
Es sei sicherlich nicht die Absicht der Autoren des Gesetzvorschlags über die Sterbehilfe gewesen, eine Verfassungskrise auszulösen, meinte zum Abschluss der Debatte in einer kurzen Stellungnahme Lydie Err (LSAP). Sie zeigte sich etwas irritiert durch die Aussagen des Vorredners. „Wenn die Entwicklung in Richtung Referendum gehen sollte, dann haben wir tatsächlich morgen die Verfassungskrise, die wir heute verhindern.“
Von Justizminister Luc Frieden war es die Warnung, dass die Verfassungsänderung „nicht zu einer Debatte für oder gegen den Großherzog und auch nicht für oder gegen Sterbehilfe wird“. Er betonte ebenfalls, dass die Änderung von Artikel 34 im Konsens mit dem Großherzog erfolge.
Aly Jaerling (unabh.) enthielt sich beim Votum. Die 56 anwesenden Abgeordneten stimmten alle für die Änderung.