„Ohne Kerneuropa geht es nicht“

„Ohne Kerneuropa geht es nicht“
(Tageblatt/Hervé Montaigu)

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Robert Goebbels warnt, dass für den designierten künftigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker noch längst nicht alles gelaufen sei.

Noch einmal kommentiert der Europapolitiker Robert Goebbels bei der Vorstellung seines jüngsten Sozialistischen Heftes die aktuelle Europapolitik, bevor er sich in die Rente zurückzieht.

Robert Goebbels will sich auch in Zukunft noch zur politischen Aktualität äußern. (Bild: Tageblatt/Hervé Montaigu)

„Es ist mein letzter Arbeitstag als Europaparlamentarier“, sagt Robert Goebbels, schiebt aber gleich hinterher, dass er sich auch in Zukunft weiterhin zum politischen Geschehen äußern werde. Nach fünf Jahrzehnten in der Politik hört man nicht von heute auf morgen auf.

Die Präsentation seines 20. Sozialistischen Heftes zur Europapolitik, in dem er eine Reihe von Artikeln aus den letzten zehn Jahren gesammelt hat, war eigentlich nur Nebensache. Vielmehr wollte Robert Goebbels die letztwöchige Entscheidung der EU-Staats- und Regierungschefs, den Luxemburger Jean-Claude Juncker zum künftigen EU-Kommissionspräsidenten zu nominieren, und ihre Begleitumstände kommentieren. Und damit seinem einstigen Koalitionspartner wohl auch manchen Rat mit auf den Weg geben.

Unwägbarkeiten bei der Wahl

Denn Robert Goebbels, der selbst 15 Jahre lang als Abgeordneter im Europäischen Parlament saß, sieht die Wahl des dritten Luxemburgers zum EU-Kommissionspräsidenten keineswegs als eine Selbstverständlichkeit. Wohl hätten sich die größten Fraktionen im EP darauf geeinigt, Jean-Claude Juncker zu küren, allen voran dessen Europäische Volkspartei (EVP), die Fraktion der Sozialdemokraten und wohl auch die Liberalen.

Doch gebe es eine Reihe von Unwägbarkeiten. So säßen im neuen Parlament, das am heutigen Dienstag erstmals zusammentritt, nicht weniger als 222 Abgeordnete, die zumindest EU-kritisch, wenn nicht gar ausgewiesene EU-Gegner seien. „Diese werden weder für Juncker noch sonst jemanden stimmen“, meint Robert Goebbels. Zudem seien rund 60 Prozent der Abgeordneten neu im Parlament. Und wie diese sich bei einer geheimen Wahl verhalten würden, sei nicht abzusehen.

Seine politische Fraktion werde den Luxemburger wählen, ist sich Robert Goebbels gewiss. „Dafür wird Martin Schulz schon sorgen.“ Auch wenn er den britischen Kollegen nicht so recht traut. „Die stehen unter dem Druck der Fleet Street“, so der LSAP-Politiker in Anspielung auf die britische Presse, die einst mehrheitlich in dieser Londoner Straße beheimatet war. Noch größere Bedenken hat er jedoch gegenüber dem Wahlverhalten der EVP-Parlamentarier, vor allem jenen von Berlusconis Forza Italia oder der ungarischen Fidesz vonViktor Orban, der mit David Cameron gegen Jean-Claude Juncker im Europäischen Rat gestimmt hat.

Dieser müsse daher eine „sehr solide Antrittsrede“ vor den EP-Abgeordneten halten und „beweisen, dass er kein Dinosaurier ist“. Denn es gehe nicht so sehr um die Person als um Inhalte und politische Perspektiven. Angesichts „der großen Desillusion bei vielen europäischen Bürgern brauchen wir jetzt einen wirtschaftlichen Aufschwung, Investitionen und eine andere Budgetpolitik“, meint Robert Goebbels, der bedauert, dass Juncker der deutschen Bundeskanzlerin die Zusage gemacht habe, keine Eurobonds einzuführen.

„Evident“ sei aber, dass die EU ein besseres Budget brauche. „Ich hoffe daher, dass Jean-Claude Juncker dafür sorgen wird, dass das europäische Budget Direkteinnahmen bekommt“, so der LSAP-Politiker.

Briten müssen sich entscheiden

Doch neben wirtschaftlichen Reformen müsse der künftige EU-Kommissionspräsident auch institutionelle Reformen angehen. „Es geht nicht an, dass der letzte im Geleitzug das Tempo bestimmt, also Großbritannien“, ärgert sich Goebbels. Die Briten sollten ihre Wahl treffen und ihr Referendum abhalten. „Wenn es negativ ausfällt, können wir gute Freunde bleiben. Ich hoffe aber, es fällt positiv aus. Großbritannien kann dann auch eine positive Rolle in der EU spielen“, meint er und weist darauf hin, dass London bisher oft blockiert habe und manche Politiken in der EU nicht mittrage.

In den nächsten Jahren sei eine Bereinigung in der EU nötig. Es müsse ein Kerneuropa geschaffen werden, das aus den Integrationswilligen bestehe und um das herum andere Staaten sich weniger stark beteiligen könnten. „Ohne Kerneuropa geht es nicht, sonst geht Europa baden““, ist sich Robert Goebbels sicher.

Die Nummer 20 der „Cahiers socialistes européens“ mit dem Titel „Pour prendre date“ kann gratis unter der luxemburgischen Telefonnummer 22 59 14 42 (Gaby Schwinden) bestellt werden und wird per Post zugestellt.