„…oder mär ginn op d’Strooss“

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Die Politik der Regierung sei falsch und sozial ungerecht, so OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding in seiner Schlussfolgerung am Donnerstag in Dommeldingen. Man werde nicht nachgeben, bis sie geändert werde.

Die aktuelle Regierung wolle, genau wie ihre Vorgängerin, übertrieben sparen. Das Argument: Luxemburg habe zu hohe Schulden und ein Staatsdefizit. Die Staatsschuld in Luxemburg sei jedoch eine der niedrigsten in der Europäischen Union. Zudem sei ein großer Teil der Schulden für die Rettung von großen Banken und damit von Tausenden Arbeitsplätzen genutzt worden. Heute beziehe der Staat Dividenden aus diesen Investitionen.

Einen anderen Teil der Schulden habe man gemacht, um durch hohe Investitionen die Wirtschaft im Lande am Laufen zu halten. Diese Politik sei von den Gewerkschaften getragen worden. Man habe jedoch keine Schulden aufgenommen, um den Staat, die Gemeinden oder das Sozialsystem am Funktionieren zu halten.

Luxemburg werde nicht von den Schuldzinsen erdrückt sondern würde im Gegenteil mehr Einnahmen aus seinem Vermögen beziehen, als es Zinsen für die Schulden zahlen müsse. Beim Defizit ein ähnliches Bild. Seit 2008 habe man wohl zweimal ein Defizit verzeichnet, allerdings vier Mal einen Überschuss.

Falsche Argumente

Obwohl also die Argumente der Regierung nachweislich falsch seien, wolle diese die Austeritätspolitik ihrer Vorgängerinnen nicht nur fortfahren, sondern sogar verschärfen.
Reding erinnerte daran, dass die indirekten Steuern angehoben werden, ebenso die Mehrwertsteuer und zahlreiche andere Gebühren, wie im Zukunftspaket der Regierung angegeben.
Das Kindergeld werde gekürzt und auch weiterhin nicht an den Index gebunden. Auch die Erziehungszulage soll abgeschafft werden, obwohl rund ein Viertel der Bezieher zu zweit arbeiten und diese Zulage nur bekommen, weil sie unter eine bestimmte Einkommensdecke fallen. Nicht nur hier fehle es an sozialer Selektivität.

Hinzu komme die Sozialabgabe in Höhe von 0,5% für die Kindergeldkasse, die nun in eine Zukunftskasse umgetauft werden soll, die es noch nicht einmal gebe. Im Gegenzug sollen mehr Kindergärten eingerichtet werden, die aber nicht gratis sein werden, wie versprochen. Auch wie der versprochene Gratis-Sprachunterricht für 1 bis 3-jährige funktionieren solle, wüsste die Regierung noch nicht. Trotzdem würde sie die Sozialabgabe bereits im nächsten Jahr einführen.

Dialog Null

Solange es an einem klaren Konzept hier und in der Familienpolitik fehle, sei es falsch einen neuen Sozialbeitrag einzuführen, so Reding. Um so mehr als er alleine von der arbeitenden Bevölkerung bezahlt werden soll. Die Betriebe, die früher einen Teil bezahlten, seien ausgenommen.
Insgesamt gelte es festzustellen, dass es hauptsächlich die Arbeitnehmer, Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst und die Renter mit kleinen und mittleren Einkommen sind, die für die Regierungspolitik zahlen sollen. Dabei sei keine dieser Massnahmen öffentlich diskutiert oder mit den Sozialpartner besprochen worden.

Dialog Null, so Reding. das scheine das Hauptmerkmal dieser Regierung zu sein, die einst angetreten sei, Dialog und der Transparenz herbei zu führen. Man könne es nicht hinnehmen, dass Massnahmen, die bestimmte Gruppen treffen und in Abkommen oder Kollektivverträgen festgehalten worden seien, nun einseitig in Frage gestellt würden. Das gelte vor allen Dingen für Staatsbeamte, Staatsarbeiter und die Lehrerschaft. Ein solches Vorgehen stelle die Grundprinzipien des Sozialdialogs in Frage.

Attacke auf Sozialsystem

Als Attacke auf das Sozialsystem bezeichnete es der Redner, dass im Sozialwesen Maßnahmen getroffen würden, über die nicht verhandelt worden sei. Auch in die geplante Steuerreform würden die Gewerkschaften nicht eingebunden, so Reding. Er vermutet dass hier wenig im Sinne der Vorstellungen der Gewerkschaften gearbeitet würde.

In ihrer Schlussfolgerung fordern die Gewerkschaften die Regierung dazu auf, ihre Sparpaket zu überarbeiten, zurückzuschrauben und Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufzunehmen. Sollte die Regerung auf stur schalten, müsste sie sich, ebenso wie die Gewerkschaften auf harte Zeiten einstellen. Auf jeden Fall werde man nicht nachgeben bis diese Politik geändert werde, betonte der OGB-L-Präsident unter dem Beifall der Zuhörer.

„A bon entendeur salut! Diskutéiert mat eis oder mär begéinen eis op der Strooss erem“ , rief Reding abschließend in den Saal, der diese Aussage mit anhaltendem Beifall begrüßte.

Patrick Dury will Tripartite

Der Präsident des LCGB, Patrick Dury sieht im Sparplan der Regierung weder Fairness noch soziale Gerechtigkeit. Die 0,5-Prozent-Abgabe und weitere Maßnahmen würden die Arbeitnehmer weiter belasten, während den Patronatsforderungen in vielen Bereichen nachgegeben worden sei, sagte er. Mittlerweile machten sich bei vielen Angestellten in den Betrieben aufgrund der Lohnpolitik existenzielle Ängste breit. Diese Ängste würden von der Regierung weiter verschärft.

In der Ansprache des Staatsministers vor der Hinterlegung des Haushalts habe er Akzente gegen die Arbeitslosigkeit vermisst, so Dury weiter, der die Regierungspolitik als regelrecht „asozial“ bezeichnete. Überhaupt sehe er in der aktuellen Politik lediglich einen „flou artistique“. Kohärenz und Linie würden fehlen. Die Familienpolitik sei nicht nur falsch, sie verschärfe zudem das demografische Problem des Landes.

Des Weiteren prangerte Dury die Aufstockung des „Contrôle médical“ an: Mit mehr Kontrolle versuche die Regierung, einen geringeren Krankenstand zu erreichen, was einer „infekten“ Hexenjagd auf Kranke gleichkomme.

Dury erinnerte an den 9. Oktober 1973, als ein Generalstreik kurz darauf zu einem Regierungswechsel führte. Die Geschichte könne sich sehr wohl wiederholen, so der LCGB-Präsident, der vor einem neuen 9. Oktober warnte.

(Serge Kennerknecht/ Robert Schneider)