Nutzenanalyse für mehr Chancengleichheit

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„Gender Budgeting“ dient der Herstellung von Gleichheit in den öffentlichen Bereichen über den Weg von Haushaltsanalysen. Die Gemeinde Esch ist die erste öffentliche Institution Luxemburgs, die dieses Instrument eingeführt hat. Gestern zogen die Verantwortlichen, allen voran die Ressortleiterin für Chancengleichheit Vera Spautz, eine vorläufige Bilanz. Luc Laboulle

ESCH – Im Koalitionsabkommen des rot-grünen Escher Schöffenrats aus dem Jahr 2005 wurde das „Gender Budgeting“ erstmals festgeschrieben. Im März 2007 fiel dann die Entscheidung, eine erste Haushaltsanalyse in den Bereichen Kinder, Jugend, Kultur und Sport durchzuführen. Die Budgetrelevanz der untersuchten Bereiche liegt bei 29,50 Prozent der ordentlichen Ausgaben.
Der Prozess der Gender-Budgeting-Analyse umfasste mehrere Schritte. Zuerst musste geklärt werden, welche Daten zur Analyse benötigt werden. Hier ging die Escher Gemeinde einen eigenen Weg, wie Schöffin Vera Spautz betonte, indem sie neben den geschlechtsspezifischen Verteilungen noch andere sozialstrukturelle Merkmale wie Geschlecht, Alter, Nationalität und Wohnort in die Analyse miteinbezog.
Um die Datenbanken anzulegen, wurden in den relevanten Bereichen wie Schule, Maison relais, Musikkonservatorium, Bibliothek, Theater und Schwimmbad die Besucher gezählt und nach Kategorien geordnet. An die Sportvereine wurden Fragebogen verteilt, in denen nach der Mitgliederzahl, geordnet nach Geschlecht, Alter, Nationalität und Wohnort, gefragt wurde.
Auf diese Weise konnte die Stadt Esch ihre Datenbanken vervollständigen und die Informatik-Programme, welche die handwerkliche Grundlage des Projekts darstellen, an den Gender-Budgeting-Prozess anpassen. Ein Ziel dieses Unterfangens besteht darin, das Gender Budgeting in die alltägliche Verwaltungsarbeit der Gemeindedienste einzuschreiben.
Nachdem die Datenbanken angelegt waren, folgte der nächste Schritt: die Nutzenanalyse. Dazu wurde zuerst ein Leitfaden zur Arbeitshilfe ausgearbeitet und anschließend geprüft, was genau und welche Maßnahmen im Besonderen zurzeit mit den Haushaltsmitteln finanziert werden.

Geschlecht, Alter,Nationalität und Beruf

In Zusammenarbeit mit dem Informatikdienst arbeitete die Stadt Esch eine digitalisierte Nutzenanalysentabelle (NAT) aus, in die die gesammelten Daten eingetragen wurden. Die NAT erlaubt die Erstellung einer automatischen Rechenfunktion für alle nach den Merkmalen Geschlecht, Alter, Nationalität, Wohnort und Beruf kategorisierten Gruppierungen. Anhand der Rechenfunktion können die NAT-Nutzer (Schöffen, Gemeinderäte, Beamte) in Sekundenschnelle ermitteln, welche Gruppierungen die jeweiligen Haushaltsmittel für welche Zwecke nutzen.
In einem nächsten Schritt müssen die aus der Datenanalyse gewonnenen Erkenntnisse praktisch umgesetzt werden. Zur Orientierung erarbeiten die zuständigen Gemeindedienste sogenannte Gleichstellungsziele und entwickeln weitere Maßnahmen, die eine gerechtere Verteilung der Haushaltsmittel garantieren sollen. Anschließend soll längerfristig die Eingliederung des Gender Budgeting in den Haushaltsplan erfolgen.
Im Bereich Sport sieht das dann so aus, dass das Sportförderprogramm an die Gleichstellungsziele und -maßnahmen angepasst wird. Und geschlechtsbewusste Pädagogik wird zukünftig in der Konzeptentwicklung der „Maison relais“ eine größere Rolle spielen. Im April 2008 verabschiedeten Jugendkommunalplan der Stadt Esch wurden entsprechende Maßnahmen schon angewandt. Weiter sollen Sensibilisierungskampagnen für mehr soziale Gleichheit in einseitig dominierten Bereichen sorgen.
Besonders kostenaufwendig sei das Projekt nicht gewesen, bestätigte Vera Spautz, bezahlen musste die Gemeinde jedoch die externe Beratung durch ein Berliner Consulting-Büro.
Bürgermeisterin Lydia Mutsch begrüßte, dass das Gender Budgeting einen anderen Blick auf die Zahlen erlaube und für mehr Transparenz im Gemeindehaushalt sorge. Die kürzlich reformierte Struktur des nationalen Haushaltsplans will sie auch auf Gemeindeebene in der Stadt Esch einführen. In den kommenden Jahren soll das Gender Budgeting auf andere Bereiche wie Verkehr und öffentliche Bauten ausgeweitet werden.

Die Fakten

o Die Datensammlung der Stadt Esch ergab, dass von September 2007 bis Mai 2008 mehr als zwei Drittel der Besucher des Escher Theaters Frauen waren. Ähnlich war die Verteilung bei den „Kunden“ der Bibliothek.