„Meine Studenten sind Spitzenklasse“

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Rajnish Mehra ist der neue Professor für Finanzen an der Universität Luxemburg. Auf dem Papier vollzieht er noch den Wechsel von Santa Barbara nach Luxemburg. In der Wirklichkeit ist der Hobbyfotograf längst im Großherzogtum angekommen.

Tageblatt: Sie gelten als einer der führenden Forscher der USA. Was verschlägt Sie nach Luxemburg?

Rajnish Mehra: „Alles hier ist neu und aufregend. Christian Wolff und André Prüm, der damals Dekan dieser Fakultät war, haben mich gefragt, ob ich interessiert daran sei, hier beim Aufbau einer hochwertigen Forschungseinrichtung mitzumachen. Meine Karriere neigt sich nun dem Ende zu und ich habe mir gedacht, das sei eine großartige Herausforderung. Luxemburg ist eines der größten Finanzzentren der Welt. Ein entsprechendes akademisches Institut hat einfach gefehlt. Alle anderen großen Finanzzentren wie New York, London, Singapur und Hongkong haben eine renommierte Finanzfakultät, Luxemburg hatte keine.

Die Bedeutung von Luxemburg in der Eurozone nimmt immer weiter zu, mit zum Beispiel Jean-Claude Juncker an der Spitze der Eurogruppe. In Luxemburg bestand einfach das Bedürfnis, eine erstklassige Fakultät aufzubauen.

Außerdem lebt meine Familie in Europa. Mein Bruder lebt in Spanien und meine Schwester in England. In Luxemburg bin ich also näher an meiner Familie.“

Was ist Ihr Forschungsgebiet?

„Ich erforsche die Preisbildung bei Wertpapieren. Ich versuche herauszufinden, wie die Preise verschiedenster Wertpapiere zustande kommen und warum unterschiedliche Wertpapiere über die Zeit hinweg unterschiedliche Kurse und Renditen haben.

Mein zweites Forschungsgebiet ist der demografische Wandel. Ich sehe mir an, was passiert, wenn die Gesellschaft älter wird. Durch die gesamte Geschichte hindurch starben die Menschen relativ jung. Vor 50 Jahren starben die Menschen mal fünf Jahre vor, mal fünf Jahre nach der Pensionierung. Es gab nie eine große Zahl an Pensionierten. Heute ist diese Bevölkerungsgruppe so groß wie noch nie zuvor.

Das hat einen Einfluss auf die Bonität von Rentensystemen, die Preise von Wertpapieren und die Einwanderungspolitik. Weil heute die Geburtenraten so niedrig sind, wird es viel mehr ältere Menschen geben und jemand muss diese pflegen. All diese Dinge haben heute eine große Bedeutung, insbesondere für Europa, wo Immigration beschränkt und Geburtenraten niedrig sind.“

Bietet Luxemburg sich da als Forschungsobjekt an?

„Luxemburg ist repräsentativ für Nordeuropa. Die Wirtschaft ist stark verknüpft mit der deutschen und der französischen. Die Anzahl der Rentner proportional zur arbeitenden Bevölkerung steigt in ganz Europa.“

Was erforschen Sie noch?

„Ein anderes Thema, mit dem ich mich beschäftige, ist immaterielles Kapital.“

Was bedeutet das?

„Der Wert eines Markennamens etwa. Nehmen wir Coca-Cola als Beispiel. Der Wert von Coca-Cola kommt nicht durch Zucker und Wasser, sondern durch die Marke. Geistiges Eigentum, Patente und so weiter sind auch immaterielles Kapital. Ich habe dazu eine Arbeit im Bezug auf Indien geschrieben. Länder entwickeln sich üblicherweise vom Agrarland zum Industrieland und dann zu einem Dienstleistungsland. Indien hat den Sprung gemacht von der Landwirtschaft zu den Dienstleistungen. Wenn man sich nun indische Unternehmen ansieht, sind ihre Aktien recht teuer im Vergleich zu dem, was sie verdienen. Das kommt daher, dass hier auch immaterielles Kapital berücksichtigt wird.

Ein weiteres Beispiel: Nehmen Sie ein Transportunternehmen mit 1.000 Lastwagen. Wenn Sie den Wert der Laster aufsummieren, sind Sie weit vom wahren Wert entfernt. Ein funktionierendes Transportunternehmen ist viel mehr Wert als seine Fahrzeuge alleine. Gleiches gilt für ein Callcenter. Ein funktionierendes Callcenter ist viel mehr Wert, als die Telefone und die Bürosessel gekostet haben. Für einen Industriebetrieb ist der Wert seiner materiellen Kapitalanlagen ein gutes Maß. Marken und immaterielles Kapital werden wichtig, wenn eine Wirtschaft sich den Dienstleistungen widmet.“

Wie lange sind Sie schon in Luxemburg und was haben Sie schon gesehen?

„Letztes Jahr hat Direktor Christian Wolff mich eingeladen, einen Vortrag hier zu halten. Ich hatte keine Ahnung, dass es hier offene Stellen gibt. Er sagte zu mir ’Luxemburg ist nicht grade in der Nachbarschaft der USA, komm doch für eine Woche‘. Ich kam also eine Woche nach Luxemburg, nur um diesen einen Vortrag zu halten, hatte also eine Menge Freizeit. Es war April oder Mai und das Wetter war hervorragend, also habe ich die ganze Stadt besichtigt. Ich liebe es, spazieren zu gehen und habe mir wirklich jeden Winkel angesehen. Das hat Spaß gemacht. Sie haben mich genau im richtigen Moment eingeladen.“

So wollte man Ihnen Luxemburg schmackhaft machen?

„Die Stelle hier kam damals nie zur Sprache. Bis September kam das Thema nie auf den Tisch. Dann riefen sie mich an und fragten, ob ich interessiert sei, und ich habe gesagt ’warum nicht‘.“

Mussten Sie lange darüber nachdenken?

„Eine Weile. Christian Wolff sagte mir, es gebe eine Menge offene Stellen. Ich bin ja nicht der einzige, der hinzukommt. Sie wollen hier etwas erstklassiges entstehen lassen.

Wenn jemand etwas so Großartiges aufbauen will und fragt, ob du mitmachst, überlegst du nicht lange. Ich bin bereits über 60 und sagte mir, es sei eine gute Gelegenheit, meine Karriere zu beschließen.“

Haben Sie jemals zuvor geholfen, eine solche Fakultät aufzubauen?

„Nein. Ich war Vorsitzender der Fakultät in Santa Barbara. Die Fakultät zählte etwa 2.500 Studenten.“

Unterscheiden sich die Studenten in Luxemburg von denen in den USA?

„Bislang hatte ich erst eine Vorlesung. Letzten Mittwoch.“

Wie lief es?

„Es war großartig. Die Studenten waren sehr gut. Ich bin sehr zufrieden. Sie sind sehr motiviert und überaus gut ausgebildet. Absolute Spitzenklasse. Es war eine Klasse von Doktoranden. Die Master-Studierenden lerne ich erst noch kennen.“

Stellt es ein Problem dar, dass Sie mit Ihren Studierenden nicht in Ihrer Muttersprache kommunizieren können?

„Nein, überhaupt nicht. Sie sprechen alle sehr gut Englisch. Es ist eine sehr internationale Gruppe – eines der schönen Dinge in Luxemburg. Ich habe zehn Studenten in dieser Klasse: einen aus Luxemburg, einen aus Griechenland, Deutsche, Belgier und einen aus China. Neun Europäer und einen Asiaten also.“