„Mein Land war immer zuverlässig“

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Russland war stets ein zuverlässiger Wirtschaftspartner, sagt Russlands Botschafter in Luxemburg, Eduard Malayan. Mit ihm unterhielten wir uns über den Gasstreit Russlands mit der Ukraine. Interview: Lucien Montebrusco

Tageblatt: Der Streit zwischen der Ukraine und Russland ist nur schwer nachvollziehbar. Wo liegen Ihrer Ansicht nach die eigentlichen Ursachen des Konflikts?
Eduard Malayan:
„Alles begann nach der Auflösung der Sowjetunion, als aus den Sowjetrepubliken, durch die die Pipelines führten, Transitländer wurde, Länder mit Rechten, aber auch mit Pflichten. Ich möchte daran erinnern, dass mein Land seit mehr als 30 Jahren Erdgas nach Europa liefert. Während dieser Zeit gab es niemals Lieferprobleme. Wir haben immer darauf geachtet, unseren Verpflichtungen nachzukommen, damit niemand uns Vorwürfe machen konnte.

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Russisches neues Jahr auf Kirchberg

Schwierigkeiten tauchten erstmals auf, als man im Zuge der Umstellung auf die Marktwirtschaft begann, zu Marktpreisen überzugehen. Probleme hatte es vor einigen Jahren mit den baltischen Ländern gegeben. Sie wurden geregelt. Auch Belorussland meldete Probleme mit den neuen Preisen an. Auch die konnten wir lösen, indem wir dem Land einen Überbrückungskredit in Höhe von zwei Milliarden Dollar gewährten.
Wir wenden Weltmarktpreise an, die nicht wir festlegen. Dieselben Preise sind auch für das Erdgas aus anderen Regionen wie Norwegen oder Algerien zu bezahlen.
Vor der Umstellung auf Marktpreisen lieferte Russland der Ukraine Erdgas zum Billigpreis. In all diesen Jahren verzichtete mein Land auf rund 47 Milliarden Dollar, eine Art Entwicklungshilfe für die Ukraine. Da Russland in die Welthandelsorganisation eintreten will, muss es schrittweise zu Weltmarktpreisen übergehen. Auch in Russland selbst werden die Preise etappenweise angehoben.
Wir dachten, die Verhandlungen mit der Ukraine seien im Oktober 2008 erfolgreich abgeschlossen, als Premierministerin Julia Timoschenko die entsprechenden Vereinbarungen unterschrieb. Leider verweigerte Präsident Juschtschenko seine Zustimmung. Dabei hatten wir der Ukraine Vorzugspreise eingeräumt, vorausgesetzt das Land zahlt seine zwei Milliarden Dollar Schuld an Gazprom. Auch für uns ist dieses Geld wichtig, insbesondre in Krisenzeiten, auch wenn der Anteil von Gazprom an den Staatseinnahmen 5 bis 7 Prozent beträgt, gegenüber 40 Prozent für Erdöl.
Da wegen Präsident Juschtschenko die Vereinbarung nicht in Kraft treten konnte, drehten wir der Ukraine den Hahn zu Jahresbeginn zu. Zuvor hatten wir die EU und alle unsere Kunden über diese Möglichkeit informiert. Dann mussten wir feststellen, dass die Ukraine für die europäischen Kunden bestimmtes Gas für sich abzweigte.
In den vergangenen Wochen hat Gazprom 1,2 Milliarden Dollar verloren.“

„T“: Europa fühlt sich als Geisel der Ukraine und Russlands.
E. M.:
„Erdgas wird nicht bei uns geklaut, sondern in der Ukraine. Das ist euer Gas, das da aus der Pipeline entnommen wird.“

„T“: Wird der Gasstreit die Beziehungen der EU zu Russland belasten?
E. M.:
„Diese Geschichte wird Spuren hinterlassen. Die politischen Kreise verstehen, dass es sich dabei um einen kommerziellen Streit handelt und sie wollen sich daher nicht einmischen. Aber das Bild meines Landes und das von Gazprom wird, zu Recht oder zu Unrecht, geschwärzt. Unsere Glaubwürdigkeit wird darunter leiden.“

„T“: Ist der Gasstreit ein Thema bei Ihren Kontakten mit den Luxemburger Behörden?
E. M.:
„Offiziell haben wir nicht darüber gesprochen. Aber ein Gesprächsthema ist es dennoch. So etwa am Mittwoch beim Treffen der gemischten Kommission UEBL-Russland in Luxemburg, an der von Luxemburger Seite Wirtschaftsminister Jeannot Krecké und von russischer Seite Kulturminister Alexander Awdejew teilnahmen.“

„T“: Man hat den Eindruck, dass es sich nicht bloß um einen kommerziellen Streit, sondern um eine handfeste politische Affäre handelt. Russland käme der Rücktritt von Präsident Juschtschenko wohl nicht ungelegen?
E. M.:
„Diese Frage ist doch eine rein innenpolitische. Allein die ukrainischen Wähler haben darüber zu befinden. Wir haben da keine Präferenzen. Anderseits ist es doch verständlich, dass uns die Ereignisse in der Ukraine nicht gleichgültig lassen. Die Ukraine ist unser größter Nachbar und sie zählt einen großen russischsprachigen Bevölkerungsanteil. Die Ukraine ist für uns kein fremdes Land.“

„T“: Ihre Prognose zum Ausgang des Gasstreits?
E. M.:
„Ich hoffe, dass er schnellstmöglich beigelegt wird. Eine positive Nachricht bekamen wird heute (das Gespräch fand gestern statt, d.R.) mit der Ankündigung eines Spitzentreffens am Samstag in Moskau, an dem auch Frau Timoschenko teilnehmen wird. Statt sich voll auf die Bewältigung der Weltkrise zu konzentrieren, müssen sich unsere Regierungen mit derlei künstlich erzeugten Problemen beschäftigten.
Wir begrüßen ausdrücklich die Bemühungen der EU bei der Lösung des Streits. Europa und Russland brauchen einander.“