Kopf des TagesMarkus Miessen, ein radelnder Professor für die Escher Stadterneuerung

Kopf des Tages / Markus Miessen, ein radelnder Professor für die Escher Stadterneuerung
Markus Miessen Foto: Christian Werner

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Prof. Markus Miessen, Lehrstuhl für Stadterneuerung in Esch

„Wenn ich etwas mache, dann mache ich das zu 100 Prozent.“ So beschreibt sich Prof. Markus Miessen selbst. Ob das eine positive oder negative Charaktereigenschaft ist, lässt er dabei offen. Der Mann für den neuen Lehrstuhl der Universität Luxemburg für Stadterneuerung in Esch möchte sich nicht zu sehr in den Vordergrund stellen, das wird im Interview mit dem Tageblatt schnell deutlich. Dabei ist sein akademischer Werdegang durchaus bemerkenswert.

Nach dem Abitur in Bonn zog es Miessen nach Glasgow, wo er seinen Bachelor in Architektur an der „School of Art“ machte. Das Studium an einer Kunsthochschule hatte den Vorteil, dass „man von Anfang an viel Austausch mit Nicht-Architektur-Studenten hatte“, sagt der 42-Jährige rückblickend. Dadurch habe er gelernt, wie wichtig es ist, äußere Einflüsse in seine Arbeit zu integrieren. Nach dem Bachelor ging es für eineinhalb Jahre nach Berlin, wo er mit Kenny Cupers sein erstes Buch („Spaces of Uncertainty“) schrieb. Anschließend zog es Miessen zurück auf die Insel, um in London den Master zu machen. Obwohl er plante, nach Berlin zurückzukehren, blieb er in London „hängen“. Er begann zu unterrichten und machte seinen PhD an der „Goldsmiths University of London“. 

2008 kehrte Markus Miessen nach Berlin zurück. Mit seinem Architekturstudio „Studio Miessen“ war er von Anfang an im Forschungsbereich unterwegs und seine akademische Karriere setzte er mit Gastprofessuren in Holland und den USA fort, ehe er drei Jahre lang eine Stiftungsprofessur an der Städelschule in Frankfurt besetzte. Es folgten fünf Jahre in Los Angeles und fünf Jahre in Göteborg, jeweils als Pendler. Selbst wenn der Lebensmittelpunkt Berlin blieb, so wollte Markus Miessen sesshaft werden und nicht mehr ganz so viel reisen. So werden er und seine Frau, eine selbstständige Grafikdesignerin mit eigenem Studio, sowie die drei Kinder im Alter von vier, sechs und neun Jahren sich demnächst in der Gegend von Frankfurt niederlassen. „Wir verbringen gerne Zeit in der Natur, gehen viel im Wald wandern“, sagt Miessen. „Da will man doch nun die wenige Zeit, die man zusammen hat, in einem Umfeld verbringen, auf das man richtig Lust hat.“ 

Also reifte vor drei Jahren die Entscheidung, Berlin zu verlassen. Begünstigt wurde sie auch durch Miessens Hobby, das Radfahren. Er nutzt das Rad als Fortbewegungsmittel, aber auch als Sportgerät. Über 200 km fährt er die Woche, nahm am Festive500 teil. Bei dieser Herausforderung geht es darum, zwischen Heiligabend und Silvester 500 Kilometer auf dem Rad zu fahren. Miessen schaffte trotz miserabler Witterungsbedingungen 505 km. Die zweite große sportliche Leidenschaft des am 16. Juni 1978 in Bonn geborenen Akademikers ist das Snowboarden.  

Ein wichtiges Argument für die neue Heimat im Großraum Frankfurt ist die im Gegensatz zu Berlin zentrale Lage mit günstigeren Verbindungen via Flughafen und Bahn. In Esch sucht Markus Miessen momentan eine Wohnung. Er plant, mindestens an vier Tagen in der Woche in Luxemburg zu sein.

Aufgewachsen ist Markus Miessen, dem man rein optisch den Radfahrer eher abnehmen würde als den Professor, in der Bonner Gegend. Sein Vater war bis zur Pensionierung Anwalt, seine Mutter persönliche Assistentin von Herbert Wehner, einem der führenden Köpfe der SPD der Nachkriegszeit.   (Philip Michel)

titi
5. Februar 2021 - 13.02

The right man on the right place!

Taxpayer
5. Februar 2021 - 11.21

Der eigentliche Clou für den unvorbereiteten Leser ist die Tatsache, dass es an unserer Uni tatsächlich einen eigenen Lehrstuhl für die Stadterneuerung von Esch gibt. Wow. Was kommt als nächstes? Eine Fulltime-Professur für die Definition des adäquaten Rottons beim nächsten Neuanstrich der "Rouder Bréck"? Aber gut, vermutlich hätte man mit einem einfachen Urbanisten-Posten bei der Stadtverwaltung keinen hippen Professor aus dem sexy-ruinösen Berlin ins schlumpfige Luxemburg locken können, mit Robert-Habeck-Coolness und einer dezidierten Vorliebe fürs Radeln. Wobei sich aus letzterer vermutlich Schlüsse auf seine Prioritäten in Sachen Verkehrsplanung ziehen lassen. Selten wurde eine Katastrophe ehrlicher angesagt...