„Luxemburg ist kein Land, sondern ein Paradies“

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Portugal begeht heute seinen Nationalfeiertag. Auch im Großherzogtum wird vielerorts gefeiert. Höhepunkt ist ein Empfang in der portugiesischen Residenz am Abend./ Stefan Osorio-König

LUXEMBURG – An jedem 10. Juni gedenken die Portugiesen ihres Nationaldichters Luís Vaz de Camões, der an eben diesem Tag wahrscheinlich im Jahre 1580 gestorben ist.
Auch im Großherzogtum mit seinen rund 80.000 Einwohnern mit portugiesischem Pass wird heute Abend in der Residenz des Botschafters der Nationalfeiertag begangen.
Es ist das erste Mal, dass der erst seit wenigen Monaten hier residierende Botschafter Portugals, José Manuel Pessanha Viegas, aus diesem Anlass zu einem Empfang eingeladen hat, nachdem er im vergangenen November das Amt von seinem Vorgänger Rui Félix-Alves übernommen hatte, der fünf Jahre lang als Botschafter Portugals in Luxemburg war.
Das Tageblatt traf sich gestern zu einem Gespräch mit dem neuen Botschafter.

Tageblatt: Sie sind nunmehr seit gut sechs Monaten im Großherzogtum. Was sind Ihre ersten Eindrücke, die Sie in Luxemburg sammeln konnten?
José Manuel Pessanha Viegas: „Ja, dazu muss man wissen, dass ich die letzten fünf Jahre als Botschafter in der Ukraine war. Das ist eine vollkommen andere Realität wie hier in Luxemburg. Die Ukraine ist flächenmäßig ein sehr großes Land mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen und viel Armut.
In Luxemburg hingegen haben die Menschen einen relativ hohen Lebensstandard. Das war natürlich etwas, was sofort ins Auge sticht, wenn man aus einem Land wie der Ukraine kommt.
Was mich hier auch sehr beeindruckt, ist, wie gut alles funktioniert. Ich habe das so vorher nicht erlebt. Das ist etwas wirklich sehr Positives.“

„T“: Welche sind Ihre ersten Eindrücke des politischen Lebens in Luxemburg?
J.P.: „Wie schon gesagt, Luxemburg ist ein kleines Land. Aber es hat eine ungemein wichtige Rolle auf dem Parkett der Europäischen Union. Vor allem Premierminister Jean-Claude Juncker kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Die Bedeutung und das Gewicht Luxemburgs gehen weit über die physische Größe des Landes hinaus. Das Gleiche gilt natürlich auch für den Einfluss seiner Politiker.“

„T“: Was waren für Sie die interessantesten Momente, seit Sie Ihren Posten als Botschafter in Luxemburg angetreten haben?
J.P.: „Seit ich hier bin, habe ich zwei Krisen ganz hautnah miterlebt. Da war zum einen die institutionelle Krise Ende vergangenen Jahres, als der Großherzog sich weigerte, das Sterbehilfe-Gesetz zu unterschreiben. Ich finde, die Politik in Luxemburg hat schnell und effizient reagiert und eine Lösung gefunden. Dann kam die Finanzkrise. Und auch hier, finde ich, hat die Regierung schnell und effizient reagiert und eine Lösung für die Dexia BIL und Fortis Luxemburg gefunden.“

„T“: Trotzdem wurde Luxemburg wegen seines Bankgeheimnisses scharf angegriffen.
J.P.: „Das stimmt. Für den Premierminister ist das eine schwere Aufgabe, nachdem er wegen des Bankgeheimnisses angegriffen wurde.
Man kann aber schon generell sagen, dass das Großherzogtum relativ gut gegen die Finanzkrise gewappnet ist. Immerhin gibt es relevante Haushaltsüberschüsse aus den vergangenen Jahren.
Ich denke, die Regierung hat eine vernünftige Politik betrieben. Und ich finde, auch das Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag spiegelt die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Regierung wider.“

„T“: Welche Bedeutung hat das Großherzogtum für Portugal?
J.P.: „Zuerst einmal muss ich sagen, dass die bilateralen Beziehungen ausgezeichnet sind. Es gibt zwischen unseren Ländern keinerlei signifikante Differenzen.
Luxemburg hat natürlich für Portugal und seine Regierung insofern eine besondere Bedeutung, als hier eine enorm große portugiesische Gemeinde lebt. Und die macht rund 16 bis 17 Prozent der Bevölkerung des Großherzogtums aus. Ich finde auch, dass die Portugiesen hier sehr gut aufgenommen wurden und sich auch gut integriert haben.
Die Integration läuft vor allem über die schulische Bildung. In dem Bereich habe ich mich auch schon mit Erziehungsministerin Mady Delvaux-Stehres und Familienministerin Marie-Josée Jacobs getroffen, die, nebenher gesagt, große Freunde Portugals sind.
Wir waren uns einig, dass für eine gelungene Integration vor alle die Schulbildung enorm wichtig ist.“

„T“: Dennoch gibt es noch nicht sehr viele Portugiesischstämmige in hohen Ämtern in Luxemburg.
J.P.: „Ich denke, das wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ändern. Schließlich ist die portugiesische Immigration noch eine relativ junge, im Vergleich zur italienischen, die schon viel früher nach Luxemburg gekommen ist.
Schließlich gibt es mit Mars di Bartolomeo bereits einen Minister italienischer Abstammung.
Als ein Portugiesischstämmiger sitzt immerhin schon Felix Braz in der Abgeordnetenkammer.
Außerdem gibt es hier schon etliche Ärzte und Rechtsanwälte, die aus Portugal stammen. Ich denke, die Rolle, welche die portugiesische Gemeinschaft in Luxemburg spielt, wird immer wichtiger werden.“

„T“: Welche werden in den nächsten Jahren hier in Luxemburg Ihre Prioritäten sein?
J.P.: „Ich denke, es ist wichtig, portugiesische Produkte einem breiten Publikum in Luxemburg bekannt zu machen. Natürlich gibt es hier bereits viele portugiesische Produkte, doch die sind meist für Portugiesen bestimmt, die hier leben.
Es gibt aber eine ganze Reihe anderer, die auch für ein Luxemburger Publikum interessant sind. Vista Alegre ist beispielsweise eine Marke hochwertigen Porzellans aus Portugal, das hier kaum bekannt ist. Wir haben aber auch eine wichtige Textil- und Schuhindustrie. Und auch die portugiesischen Weine sind von hoher Qualität und haben ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Im kulturellen Bereich würde ich gerne ein portugiesisches Filmfestival hier in Luxemburg aus der Taufe heben.Ich weiß, dass die Luxemburger für solch eine Art von Veranstaltungen sehr offen sind.“

„T“: Was finden Sie besonders schön an Luxemburg?
J.P.: „Besonders gut gefällt mir die Innenstadt der Hauptstadt mit der place dArmes und der place Guillaume. Aber auch den Grund finde ich sehr reizvoll.
Was mir allerdings nicht gefällt, und das ist wirklich das Einzige, ist, dass die Geschäfte schon sehr früh schließen.
Aber ansonsten kann ich nur sagen: Sie leben nicht in einem Land, sondern in einem Paradies.“

o Staatsform: Republik
o Einwohner: 10,6 Millionen
o Bruttoinlandsprodukt:
155,4 Milliarden Euro (2006)
o Durchschnittseinkommen 15.400 Euro (2006)