/ LEITARTIKEL/Misstöne aus Peking
Es war ruhig geworden nach der Aufregung um den Olympischen Fackellauf in England und Frankreich. Die Tibet-Frage und die Menschenrechtsverletzungen des chinesischen Regimes sind etwas in den Hintergrund gerückt und scheinen dort auch noch eine Weile zu bleiben. Vielmehr sind es andere Themen, auf die sich die immer zahlreicher in Peking eintreffenden Journalisten konzentrieren. In Ermangelung sportlicher Wettkämpfe wurde zunächst in erster Linie über den Smog im 17-Millionen-Moloch Beijing berichtet. Die Situation wird sich zwar bis zum Auftakt der Spiele durch weitere Maßnahmen noch verbessern, von den versprochenen „grünen Spielen“ sind die Organisatoren aber ungefähr so weit entfernt wie John McCain von Paris Hilton. Ein weiteres Versprechen, an das sich die Organisatoren nicht halten, ist das der zumindest zeitweiligen Aufhebung der Medien-Zensur. Uneingeschränkten Zugang zum Internet gab es nie im Reich der Mitte und wird es anders lautenden Beteuerungen zum Trotz auch nie geben. So bleiben die Webseiten von Menschenrechtsgruppen, Tibetern oder von chinesischen Inhalten ausländischer Medien wie beispielsweise der BBC auch für die ausländischen Journalisten gesperrt. „Die Berichte über die Spiele sind nicht beeinträchtigt“, wundert sich ein Sprecher des Organisationskomitees Bocog über die Aufregung, schließlich sei der Internetzugang doch „ausreichend“ und „umfassend“. Pressefreiheit auf chinesisch!
Rogge als Marionette?
Der eigentliche Skandal bei der Sache ist aber, dass das Ganze offenbar mit Billigung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) geschehen ist. „Ich kann den Chinesen nicht sagen, was sie tun sollen“, sagt der Chef der IOC-Pressekommission, Kevan Gosper. Derselbe Gosper, der vor nicht allzu langer Zeit versicherte, das IOC habe „die feste Zusage, dass während der Spiele nicht zensiert“ wird. Und nun kleinlaut beichten musste, einige hohe IOC-Vertreter hätten „mit den chinesischen ausgehandelt, dass einige heikle Webseiten gesperrt werden“. Starker Tobak, die Herren der Ringe als Marionetten des kommunistischen Regimes. Dazu passt, dass Ober-Olympier Jacques Rogge einmal mehr schweigt. Der Belgier, der seit seinem Amtsantritt 2001 stets eine gute Figur machte, indem er mit dem Filz der Samaranch-Ära aufräumte und endlich im Dopingkampf Ernst machte, scheint nun überfordert. Rogge zieht den Kopf ein und hofft, dass das nächste Gewitter möglichst schnell vorbeiziehen möge. Das hatte er schon im Frühjahr so gemacht, als die Diskussionen um die Olympische Charta und insbesondere die Frage, was Sportler in Peking dürfen und was nicht, tagelang an Rogge vorbeiliefen. Mit fast einwöchiger Verspätung reagierte er auch auf die massiven Proteste beim Fackellauf in London und Paris. Als Rogge vor den Vertretern der nationalen Olympischen Komitees mit deutlicher Kritik an der Menschenrechtslage und der Pressefreiheit in China die Muskeln spielen ließ und an die „moralische Verpflichtung“ des Gastgeberlands appellierte, erntete er Unverständnis beim chinesischen Regime. Dass Chinesen nichts mehr als einen Gesichtsverlust fürchten und sich als 4.000 Jahre altes Kulturvolk Einmischung von außen prinzipiell verbitten, das weiß Rogge inzwischen nur zu gut. Eine Öffnung Chinas kann so nur von innen erfolgen. Und genau diese Öffnung war es, die sich das IOC 2001 versprach, als es Peking den Zuschlag für die Olympischen Spiele gab. Sieben Jahre später sieht es nicht so aus, als ob es dazu kommen würde. Zu groß sind die Misstöne im Vorfeld. Und letztendlich ist der Druck von außen nur Wasser auf die Mühlen der Hardliner im Politbüro. Dabei sollten die Olympischen Spiele doch ein Fest des Sports und der Jugend sein…
pmichel@tageblatt.lu
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