LEITARTIKEL/Geld-Bonbons

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Ob Ursache oder Wirkung: Eines der großen Probleme im Luxemburger Schulsystem stellt das Wiederholen einer Klasse dar.

Rund 40 Prozent der hiesigen Schüler haben ein Jahr Rückstand auf den normalen Schulverlauf, der internationalen Lesekompetenzstudie Pirls („Progress in International Reading Literacy Study“) zufolge waren 2006 im fünften Schuljahr 28 Prozent der Schüler in Verzug zur alterstypischen Stufe. Und auch abzüglich der Einwanderer zählt das Schulsystem Luxemburgs immer noch einen sehr hohen Anteil von rund 14 Prozent an ein- oder mehrfachen „redoublants“. Mit den sowohl in der Grundschule als auch im Sekundarunterricht angestrebten Reformen ist die Regierung allerdings bestrebt, das angesprochene Problem anzugehen und der negativen Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte mittel- und langfristig entgegenzuwirken. Dabei setzen die bildungspolitischen Verantwortlichen u.a. auf die Einführung eines kompetenzorientierten Unterrichts, der jedem Schüler erlauben soll, seinen Fähigkeiten entsprechend, ein Höchstmaß an schulischer Bildung zu erlangen. Gleichzeitig soll auf diese Weise das umgangssprachliche „Sitzenbleiben“ vermieden werden. Denn auch wenn sich die Bildungsexperten (noch) über die Methoden zum Erreichen des erklärten Ziels uneins sind, so teilen sie doch fast ausnahmslos die Meinung, dass das Wiederholen einer Klasse aus pädagogisch-erzieherischer Sicht nur wenig Sinn ergibt und dem betroffenen Schüler nur in Ausnahmefällen bildungstechnisch weiterhilft.

Andere Länder…

Ganz andere, sprich unkonventionellere Wege gehen derweil die Pädagogen an mehreren US-amerikanischen Schulen. Sie versuchen mittels Geldprämien ihre Schüler anzuspornen und so zu guten Noten zu animieren. Einer Studie der New Yorker Cornell-Universität zufolge scheinbar mit Erfolg: Durch den finanziellen Anreiz – in New York City werden in 31 Schulen gute Leistungen mit bis zu 1.000 Dollar belohnt – schafften es mehr Jugendliche in die Fortgeschrittenen-Kurse an der Highschool, außerdem begannen mehr Schüler ein Studium. Laut Untersuchung schnitten dabei Angehörige ethnischer Minderheiten am erfolgreichsten ab. Ein Modell, so einfach wie effizient demnach? Ein Modell, das aufgrund der finanziellen Möglichkeiten und der hohen Bildungsausgaben auch eine Lösung für das Luxemburger Bildungssystem darstellen könnte? Sicherlich nicht, denn obwohl das „Geld gegen Leistung“-System familienintern bestimmt auch hierzulande öfters zur Anwendung kommt, handelt es sich dabei um nicht mehr als einen Leistungskatalysator bzw. eine verkappte Form von Studienbeihilfe. Die wahren bildungspolitischen Probleme, wie z.B. auf Sprachdefizite zurückzuführende oder entwicklungsbedingte Lernschwierigkeiten sowie Integrationsprobleme von ausländischen oder behinderten Schülern, können auf diese Weise nicht gelöst werden, hier bedarf es eines ganzheitlichen Reformansatzes, wie er derzeit von der Regierung gewagt wird. Auch ist der beschriebene amerikanische Ansatz, der übrigens in ähnlicher Form auch bereits in Israel, Kanada und Großbritannien erprobt wird, schon deshalb abzulehnen, weil die Rolle der Schule nicht darin bestehen sollte, die Schüler zu lehren, dass Leistung sich nur im Fall eines finanziellen Ausgleichs lohnt. Motivationsprobleme können und sollen anders, z.B. durch die Schaffung eines angenehmen Schulklimas, gelöst werden. Finanzielle Anreize hingegen können, wie diverse verhaltenspsychologische Studien belegen, in anderen Bereichen, wie z.B. bei der Raucherentwöhnung oder aber dem Erwerb von umweltfreundlicheren Fahrzeugen, durchaus sinnvoll eingesetzt werden. In Schulen aber haben derartige „Geld-Bonbons“ nichts verloren.
twenandy@tageblatt.lu