LEITARTIKEL/From hero to zero

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Was zählt in unserer heutigen Gesellschaft? Verlierer? Mittelmaß? Gewinner? Diese Frage könnte von irgendeinem Privatfernsehsender gestellt sein, für dessen richtige Antwort ein Preisgeld von 5.000 Euro und mehr winkt. Roger Infalt

Eine Frage, für die es keiner Überlegungen bedarf, um die richtige Antwort zu finden. Natürlich zählen in unserer heutigen Gesellschaft lediglich die Gewinner, die absoluten Überflieger, die, denen keiner das Wasser reichen kann. „Welcome to the world of winning“, sagte McLaren-Teamchef Ron Dennis nach dem Formel-1-Rennen in Ungarn zu seinem Schützling Heikki Kovalainen, der zum ersten Mal in seiner Renngeschichte auf dem obersten Treppchen des Podestes stand. „The world of winning“ – die Welt des Gewinnens – ist die Welt, in der allein es sich anscheinend lohnt, zu leben. Hier rollt der Rubel, hier wird man als richtiger, als Erfolg und damit auch Geld bringender Mensch angesehen. Hier, und nicht eine Etage tiefer, ist man „quelqu’un“.

Die meisten verschwinden im Nichts

Ein anderes Beispiel geben die Olympischen Spiele in Peking ab. Vor Wochen gab es viele, überaus gute, vielversprechende, alles gebende Sportler. Geblieben sind nun die, die Gold, Silber und Bronze holten. Sie werden auch in den nächsten Wochen im Blitzlicht der Fotografen und im Visier der Kameraleute und Journalisten stehen, doch der Rest, die, die es um eine Zehntel-, Hundertstel- oder Tausendstelsekunde nicht aufs Siegertreppchen schafften, verschwinden im Schatten. Und was für den Sport gilt, das hat in unserer gesamten heutigen Gesellschaft Bestand. „Winner“ sind gefragt, keine „Durchschnittsmenschen“ und schon überhaupt keine „Loser“. Hätten wir noch Arenen, würden wir die Verlierer gegen die Löwen kämpfen lassen. Die mittelmäßigen Menschen wären dazu verurteilt, den „Winnern“ die Trauben zu reichen. Wenn die Gewinner einmal in den Kampf ziehen müssten, würden sie die „Mittelmäßigen“ mit Waffen ausrüsten und sie an die Front schicken. Unterdessen würden die, die gewohnt sind, ganz oben zu herrschen, wie z.B. unlängst der Ver.di-Boss, zum Urlaub auf die Südsee-Inseln fliegen und sich dorthin die Berichte von der Front schicken lassen. Auch die vielen Beispiele der letzten Jahre, die deutlich gezeigt haben, wie schnell man vom „hero to zero“ werden kann, scheinen die Menschen, die es – koste es, was es wolle – einzig und allein in die „world of winning“ drängt, nicht zu beeindrucken. Für die meisten sind heute alle Mittel recht, um auf das obere Treppchen zu gelangen. Das, was nach ihrer „Herrschaft“ passiert, und das, was sie auf dem Weg dorthin für immer und ewig zu Grunde gerichtet haben, kümmert die wenigsten.
rinfalt@tageblatt.lu