LEITARTIKEL :Wo Halbgötter regieren Sagen haben haben

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Luxemburg ist das Land, wo Halbgötter regieren. Solche, die des gemeinen Sterblichen Kritik nicht vertragen. Wie sonst ließe sich erklären, dass der Premier höchstselbst auf den CSV-Bezirkskongressen wortgewaltig gegen einen Tageblatt-Leitartikler wütete?/Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Luxemburg ist das Land, wo Halbgötter regieren. Solche, die des gemeinen Sterblichen Kritik nicht vertragen. Wie sonst ließe sich erklären, dass der Premier höchstselbst auf den CSV-Bezirkskongressen wortgewaltig gegen einen Tageblatt-Leitartikler wütete?
Taten wir ihm, dem Welt- und Europapolitiker, Unrecht an, als wir feststellten, wie viele Analysten und auch bereits Historiker es tun, dass die Wurzeln der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht bei den Banken und den Unternehmen zu finden sind, sondern bei denen, die politisch für die perversen Regeln geradestehen müssen? Wie er und sein Adlatus?
Woraus sich folgerichtig ergibt: Auch wenn die Staatenlenker unter Druck und ohne Alternative retteten, was noch zu retten war, können sie keinen Anspruch auf Lob erheben. Zumal der wegen mangelnder Voraussicht entstandene Schaden mit dem Geld der Steuerzahler von heute, morgen und übermorgen bereinigt wird!
Der CSV-Propagandisten-Chor singt immer wieder sein falsches Lied von den zwei Supermännern, damit ja keiner auf die Idee komme, die hätten vor dem Aufräumen etwas anderes getan, nämlich das Zubereiten.
Verständlich, insbesondere in der Vorwahlzeit. Die Luxemburger haben im Juni die seltene Chance, das politische Kräfteverhältnis zu ändern und somit Einfluss zu nehmen auf die Gestaltung der Zukunft in diesem kleinen Lande.
Also kann die überstarke und verwöhnte CSV nicht anders, als mit allen Mitteln um die Festigung ihrer Vormacht zu kämpfen.
Zu den Grundrezepten ihrer Dominanz gehört seit jeher der Persönlichkeitskult. Vor Juncker, der jetzt im Rampenlicht steht, und Frieden, dem designierten Erben, waren es Bech, Frieden, Dupong, Werner und Santer, die alle vom konservativ-katholischen Netzwerk (Partei, Gewerkschaft, Presse-Imperium, Bistum und unzähligen Vereinen; man schaue im Marienkalender nach!) zu Übervätern bzw. Idolen gestylt wurden.
Warum? Weil zu den Luxemburgern, deren Sicherheits-Bedürfnis aus historischen Gründen ein sehr großes ist, Übervater- und Idolfiguren besser passen als Geister, welche dies und das und noch mehr in Frage stellen.
So erklärt sich der laute, polemisch gegen unsere Zeitung vorgetragene Ärger der CSV.
Wir rühren an ein Tabu, wenn wir den Chef auch nur kurz, zwischenzeitlich, wegen seiner nicht zu leugnenden Co-Responsabilität im europäischen wie im luxemburgischen Finanzregelwerk vom Podest heben.
Denn nur auf dem Podest, vom Podest aus, bringt er seiner Partei den Bonus, den diese braucht, um die übrigen politischen Kräfte hierzulande so weit zu distanzieren, dass sie den Ton angeben kann.
Das wissen alle Beteiligten.
Ohne Juncker, ohne den hors-catégorie-Juncker, zu dem er gemacht wurde, zu dem er sich machen ließ, ist die CSV beim heutigen Zeitgeist, mit ihrem heutigen Personal, nie und nimmer die 24 von 60 Parlamentssitzen wert, die sie 2004 bekam. Mit einem entzauberten Juncker würde ihr Vorsprung kleiner, kämen die demokratischen Empfindsamkeiten besser zum Ausdruck.

Zu üppig geworden

Mon dieu! Einen weniger gefälschten Juncker, einen sich selber ähnlicheren möchten wir erleben, unsretwegen weiter als primus inter pares, wenn der Wähler es denn so wollte.
Aber keinen Juncker mehr, ab Juni 2009, in seiner gegenwärtigen, ungesunden Herrscher-Rolle, die ihm speziell dann schlecht zu Gesicht steht, wenn er die letzten, die Einspruch wagen, überheblich und mit billigen rhetorischen Tricks vor versammeltem Parteivolk vernichtet.
Klartext:
Sowohl die CSV als auch ihr Häuptling und des Häuptlings Zögling bedürfen des Einspruchs und der Widerrede.
Im schwarzen Lager ist man zu vollmundig geworden.
Zu üppig.

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Alvin Sold
asold@tageblatt.lu