LEITARTIKEL: Krieg und Olympia

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Bilder vom Krieg sind immer traurig: Doch gestern war der Anblick besonders sinister. Francis Wagner

Bilder vom Krieg sind immer traurig: Doch gestern war der Anblick besonders sinister.
In unserem Redaktionssaal hängen zwei Bildschirme nebeneinander. Auf dem einen konnte man gestern den Einmarsch der Athleten ins Pekinger Olympiastadion sehen, wo sich, wie es so schön heißt, die „Jugend der Welt“ während der nächsten zwei Wochen zum friedlichen Sportwettstreit trifft. Auf dem anderen konnte man den Einmarsch der georgischen Truppen nach Südossetien beobachten. Bilder von jungen Menschen, von denen etliche schon kurz danach tot oder schwer verstümmelt sein würden.
Georgien ist einer jener postsowjetischen Staaten, die unbedingt in die NATO wollen. Man kann sich leicht ausmalen, welches Problem die Allianz nun am Hals hätte, wenn sie dem georgischen Ansuchen stattgegeben hätte.
Dass Georgiens Staatschef Saakaschwili diesen Krieg ohne Not vom Zaun brach, ist unverzeihlich. Das nun vergossene Blut klebt an den Händen dieses Mannes, der sich wohl ausrechnete, der Westen würde ihm gegen Russland zu Hilfe eilen.
Der Westen wird sich schwer hüten, so etwas zu tun, umso mehr, wo Georgien in diesem Konflikt ganz klar als der Aggressor anzusehen ist.
Dass Moskau diesem Angriff nicht tatenlos würde zusehen können, war von vornherein evident. Nun verwickelt Saakaschwili die Armee seines kleinen Staates in einen Konflikt mit den russischen Streitkräften, die nach den amerikanischen immer noch die zweitstärksten der Welt sind. Was ganz einfach den Tatbestand des kriminellen Wahnsinns erfüllt.

Ausgerechnet zur Olympia-Eröffnung

Und die Tatsache, dass der Mann an der Spitze Georgiens ausgerechnet den Tag der Olympia-Eröffnung für seinen Angriff auswählte, wird ihm wohl in den Geschichtsbüchern einen besonderen Platz in der Galerie der Schurken bescheren.
Nicht sehr gut sieht es auch an einem anderen Kriegsschauplatz aus: In Afghanistan erlitten die US-Truppen im zweiten Quartal dieses Jahres so schwere Verluste wie seit dem Sturz des radikalislamischen Taliban-Regimes im Oktober 2001 nicht. Und es ist nicht abzusehen, wie die Lage am Hindukusch grundlegend zum Besseren zu wenden wäre.
Wenig hilfreich ist zudem der Umstand, dass die politische Lage im Nachbarland Pakistan, das den Taliban als Rückzugs- und Aufmarschgebiet dient, alles andere als stabil ist.
Die Parteien der Regierungskoalition wollen Präsident Musharraf lieber heute als morgen absägen. Doch sieht es nicht danach aus, als ob die Armee einer Entmachtung ihres ehemaligen langjährigen Chefs tatenlos zusehen würde.
Diese innenpolitischen Querelen sind wohl kaum dazu angetan, die Standfestigkeit des pakistanischen Staates gegenüber den Islamisten zu erhöhen. Ein instabiles Pakistan bedeutet ein instabiles Afghanistan. Und das wiederum bedeutet, dass dort wohl noch lange Zeit NATO-Soldaten getötet und verwundet werden.
Vor allem aber werden die Bürger dieses geschundenen Landes auch nach mehreren Jahrzehnten Krieg wenig Aussicht haben, ihren Kindern eine lebenswerte Zukunft geben zu können.

Francis Wagner