LEITARTIKEL: „Gaads“ Hockey-Mutti

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Es gab schon Leute, die das Amt des Vizepräsidenten der USA auszuüben die Ehre hatten, deren Namen aber schon während ihrer Amtszeit nur Politikspezialisten bekannt war.

Andererseits ist der „Veep“ stets, wie es so schön heißt, lediglich „a heartbeat from the presidency“. Und den Fall gesetzt, ein Präsident John McCain beschlösse, während seines Mandats das Zeitliche zu segnen – was ja nun angesichts seiner 72 Lenze allein schon aus rein statistischen Gründen nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen ist –, dann würde das Oberkommando über die mächtigste Streitmacht der Welt … Sarah Palin zufallen.
Einer Person, die noch vor etwas über zwei Jahren gerade mal Bürgermeisterin einer 9.000-Seelen-Gemeinde im eisigen Alaska war. Und deren außenpolitische Erfahrung nach Aussagen ihrer eigenen Parteifreunde hauptsächlich auf der Tatsache gründet, dass Alaska so nahe an Russland liegt (kein Witz!!!). Da hat aber McCain schon mehr Format – selbst wenn sein außenpolitischer Hintergrund im Wesentlichen darauf fußt, dass er vor vier Jahrzehnten Luftangriffe auf das nordvietnamesische Volk flog … und sich dabei erwischen ließ.
Sarah Palin, so liest man jetzt überall, hat die republikanischen Delegierten schwer beeindruckt. Sie drückte McCains Krönungsmesse ihren Stempel auf.
Dies tat sie u.a. mit der Aussage, dass es Gott gewesen sei, der den Amerikanern befohlen habe, den Irak zu überfallen. Dabei hatte – wie doch jeder weiß – derselbe alte Scherzkeks gerade erst kurz zuvor Al Kaida geheißen, die USA heimzusuchen!

„Change“ … zum Schlimmeren

Aber mal im Ernst, wer einen solchen Brachialquark absondert, der ist als gemeingefährlich einzustufen. Dies selbst angesichts der Tatsache, dass man in den USA „Gaad“ mit ähnlicher Unbeschwertheit im Munde führt wie in weniger devoten Kulturen das Wort „Salatgurke“.
Keine sehr hohe Meinung würde McCain von der weiblichen Hälfte der US-Wählerschaft beweisen, wenn er tatsächlich gehofft haben sollte, mit der Nominierung Palins jene Frauen zu beeindrucken, welche die Demokraten durch die Nichtberücksichtigung Hillary Clintons für das höchste Amt in der Union enttäuscht haben.
Eine frömmelnde, schießwütige „Hockey-Mutti“ als Alternative zu einer Frau, die – selbst wenn sie Obama den Vortritt lassen musste – unter die profiliertesten Akteure auf der derzeitigen amerikanischen Politbühne zu rechnen ist? Nicht einmal als „Hoax“ wäre das besonders gelungen.
Jedenfalls driftet McCains Kampagne durch die Kür Palins nach rechts. Und das könnte für Obama eine gute Nachricht sein. Denn auch wenn McCain jetzt versucht, der Obama-Kampagne den Begriff „Change“ zu klauen, so wünschen sich doch viele US-Wähler einen „Wandel“, der nicht einfach nur darin besteht, dass die republikanische Regierungsmaschinerie – nach acht Jahren desaströser Bush-Cheney-Politik – einen neuen Frontmann erhält. Und das dann auch noch mit einer „second in command“, die so reaktionär wie Cheney und so unbedarft wie Bush zu werden verspricht. Was bemerkenswerterweise hieße, dass sie die Nachteile des einen mit jenen des anderen in einer Person vereinigen würde.
Und so muss sich McCain ernsthaft fragen lassen: Welchen Wechsel will er denn noch gegenüber der Ära Bush herbeiführen, wenn durch die Auswahl Palins bewiesen wurde, dass hinter den Kulissen seiner Partei nach wie vor die reaktionärsten Elemente die Strippen ziehen?