Konditor Gérard Cayotte: „Esch hat viel Potenzial“

Konditor Gérard Cayotte: „Esch hat viel Potenzial“

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Der 1959 in Lothringen geborene Konditor Gérard Cayotte gehört als Institution zum festen Bestandteil der Escher Geschäftswelt. Das Tageblatt hat sich im Vorfeld der „Journée française“ mit dem Meister der Kuchen unterhalten.

Von Julie Riva

Tageblatt: Wie sah Ihre berufliche Laufbahn aus, bevor Sie sich 1997 hier in Esch/Alzette niedergelassen haben? Gab es bereits Konditoren in Ihrer Familie?
Gérard Cayotte: Nein, meine Eltern waren beide Landwirte. Ich habe eine Lehre in Metz im Hause „Claude Bourguignon“ absolviert. Daraufhin habe ich die sogenannte „Tour de France“ gemacht. Ich habe also während einer gewissen Zeit in verschiedenen Städten für unterschiedliche Betriebe gearbeitet. Das hat es mir erlaubt, die Spezialitäten der jeweiligen Städte kennenzulernen. Ich war in Angé, Lyon, Marseille, Bordeaux, Lille und Paris. In Paris war ich acht Jahre lang. Irgendwann war ich der Stadt allerdings überdrüssig.

Was hat Sie dazu bewegt, sich hier in Esch niederzulassen?
Mir wurde zunächst eine Stelle hier in Luxemburg im Hotel „Le Royal“ angeboten. Während diesen fünf Jahren habe ich meine Meisterprüfung gemacht. Ohne diesen Abschluss konnte man sich früher nicht hier niederlassen, was ich wirklich gut finde. Danach habe ich nach Geschäftsflächen gesucht und mir wurde diese Bäckerei angeboten. Diese wurde damals, also im Jahr 1997, von Marc Robert geführt. Die Konditorei hatte bereits ein sehr hohes Niveau. Wir haben daraufhin das Geschäft weiter ausgebaut und haben zusätzlich Brotwaren, Catering, Süßwaren und Eiscreme entwickelt und in das Konzept mit aufgenommen. Zusätzlich haben wir ein kleines Mittagsmenü, das wir anbieten.
Wir sind sieben Tage die Woche geöffnet und beliefern auch das CHEM hier in Esch.

Wie viele Kunden gehen tagtäglich bei Ihnen ein und aus?
Wenn ich mir so die Belege anschaue, dann bewegen wir uns zwischen 180 bis 200 Kunden pro Tag. Am Samstag sind es sogar bis zu 300 Kunden.

Sie sind auch Mitglied bei der Acaie, dem Escher Geschäftsverband. Was können Sie uns darüber sagen?
Genau. Ich bin Sekretär beim Geschäftsverband. Für uns ist es wichtig, mehr Geschäftsleute anzuziehen. Je mehr Mitglieder wir zählen, umso stärker sind wir. Die Geschäftsleute sollen verstehen, dass wir ihre Interessen vertreten. Natürlich sind die großen Supermärkte eine Konkurrenz, allerdings sollten wir uns nicht vor ihnen fürchten. Oft wird behauptet, der niedrige Umsatz würde an der Zusammensetzung der Bevölkerung liegen. Natürlich spielt das auch eine gewisse Rolle. Allerdings gibt es dieses Problem auch in anderen Teilen des Landes. Ich bin der Überzeugung, wenn wir eine gewisse Qualität und Dienstleistung anbieten, haben wir keine Probleme, weiterhin Kunden anzuziehen.

Was bedeutet für Sie die „Journée française“ in Esch?
Die „Journée française“ ist eine Escher Tradition, die zahlreiche Franzosen anzieht. Was ich besonders positiv finde, ist die Idee der Acaie-Präsidentin Astrid Freis, die Einnahmen für die Standgebühren der sogenannten „Vendeurs ambulants“ integral an die Menschen zu spenden, die Opfer des Brandes in der rue d’Audun geworden sind. Wir rechnen mit rund 10.000 Euro. Die Leute sollen das nicht für irgendeine Polemik ausnutzen und meinen, wir wollten uns als Geschäftsverband mit dieser Aktion profilieren. Es ist ein Akt von Menschlichkeit, der hier geleistet wird.

Wie sehen Sie die Zukunft der Konditoren und Bäcker im Angesicht der vielen
Bäckereiketten hierzulande?
Ich stehe dem positiv gegenüber. Wir wissen, dass wir den Menschen Qualität bieten können, und ich mache mir keine Sorgen darüber, dass die Kunden sich im Endeffekt für uns entscheiden und wissen, was sie hier für ihr Geld bekommen.

Wie sehen Sie die Zukunft von Esch?
Esch hat viel Potenzial, die Probleme, die es in der „Minettemetropole“ gibt, gibt es auch an anderen Stellen im Land. Dass die Hauptstadt viel zu teuer ist, ist klar. Deshalb hat Esch quasi als zweitgrößte Stadt im Großherzogtum einen wichtigen Stellenwert. Vor allem durch die Universität gibt es viel frischen Wind. Wir merken, dass vor allem an den Wochenenden zahlreiche junge Leute den Weg nach Esch bis in unsere Bäckerei finden.
Auch dass wir 2022 Kulturhauptstadt sind, bringt viel Potenzial. Man kann den Verantwortlichen für diese Leistung nur gratulieren und ich bin davon überzeugt, dass die Konzepte, die von der neuen Arbeitsgruppe hierfür ausgearbeitet werden, einen wichtigen Mehrwert für die Stadt darstellen werden. Es stellt eine unschätzbare Gelegenheit für Esch dar. Ich meine, dass es jedem einen Aufschwung geben wird. Natürlich ist es auch nicht immer einfach. Rund 50 Geschäftsflächen stehen leer, was enorm ist. Allerdings gibt es auch viele positive Punkte. Viele Gesellschaften investieren in die Gebäude und Infrastruktur. Ich denke also nicht, dass diese Geschäftsflächen lange leer bleiben werden. Außerdem ist Esch in den letzten Jahren viel sicherer geworden. Man bemerkt seit einiger Zeit eine verstärkte Polizeipräsenz.
Eine weitere Anmerkung ist die Bürgerinitiative, die im Rahmen der Kulturhauptstadt gefördert wird. Vor allem die Menschen, die auch hier leben, sollten ein Mitspracherecht haben. Ich kann den Verantwortlichen für diese Initiative nur gratulieren. Das „Parking minute“ ist eine super Idee. Diese erlaubt den Kunden, nur kurz auf eingezeichneten Parkplätzen zu stationieren, um ihre Einkäufe zu erledigen. Wir haben uns immer für mehr Parkplätze eingesetzt. Natürlich ist das „Parking minute“ nicht die perfekte Lösung. Wir bemerken aber dadurch einen besseren Fluss der Autos und Leute. Und nicht nur hier, in der rue de la Libération, sondern auch in der rue Dicks und der rue Zénon Bernard gibt es das Konzept bereits.

Können Sie vielleicht etwas zu den beiden Cafés hier in der rue de la Libération sagen, die ihre Türen geschlossen haben?
Hier sehe ich den Fehler ganz klar bei den Eigentümern der Kneipen, die lange Zeit die Geschäftsführung nicht geändert haben. Ich muss sagen, dass die Verantwortlichen der Gemeinde schnell und effektiv reagiert haben und sich des Problems angenommen haben. Allerdings ergeht es vielen Lokalen hier in Esch ähnlich. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wer
Ihre Nachfolge antritt?
Das ist nicht so einfach. Wir haben hier ein Team von 20 Leuten und ich versuche, die Arbeit so gut wie möglich an meine Konditormeister und Mitarbeiter weiterzugeben.